Fraktion DIE LINKE. im Rat der Stadt Detmold - Rede zum Haushalt 2020/2021

Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, sagt in Al Gores Film: „Immer noch eine unbequeme Wahrheit“:
„Wir haben nicht das Recht, keinen Erfolg zu erzielen!“

Also wollen wir uns einmal die erfolgversprechenden Maßnahmen für Detmold ansehen.

Die Stadt will künftig die Digitalisierung vorantreiben und zugleich in eine moderne digitale Ausstattung unserer Bildungseinrichtungen investieren. Detmold kümmert sich selber um den Wohnungsbau, schafft günstigen Wohnraum, und wir haben eine Stadtentwicklungs- und eine Wohnungsgenossenschaft, die beide langsam Fahrt aufnehmen. Die geplanten Investitionen für Kinderspielplätze gehören aus unserer Sicht auch zum richtig angelegten Geld, hier ist sicher nichts verschwendet. Die Innenstadtentwicklung kann durch den Ankauf und damit den Einfluss der Politik auf die Neuerrichtung der Galerie Hornsches Tor gezielt gesteuert werden.

Das ganz große Thema in diesen Haushaltsberatungen ist die Klima- und Verkehrswende.

Etliche Anträge, nicht nur aus den Fraktionen, beschäftigen sich damit. Die Verkehrsführung sowie die Ausweitung des öffentlichen Nahverkehrs bilden Schwerpunkte, die richtig revolutionäre Umbrüche im Hinblick auf Taktung, Streckenführung und Betriebszeiten bedeuten, und nicht zuletzt sollen die Kosten für die Nutzerinnen und Nutzer gedrosselt werden. Wir befürworten die Verbesserung der Radwege und der Infrastruktur rund ums Rad, die Errichtung von Mobilpunkten und die Idee des Multi-Modal-Hub.

Offenbar sind die Bedrohungen durch den Klimawandel, die Alarmsignale der Klimaproteste im Rat angekommen. Wir können als Kommune nicht allein handeln, aber wir können Vorreiter sein. ---Übrigens auch, wenn mal richtig was schief geht! --- So haben wir jetzt zwar einen Wasserwärmespeicher, gut sichtbar für alle, die mit der Bahn ankommen. Er sieht zwar nicht schön aus, hat weder eine Treppe noch einen Fahrstuhl, somit auch keine Aussichtsplattform, dafür hat er aber jetzt Werbung drumrum: Die größte Litfaßsäule der Welt, reif fürs Guinness-Buch der Rekorde! - Dennoch ist er natürlich als Maßnahme gegen den Klimawandel sinnvoll, aber das hätte besser bedacht sein müssen - auch von uns! - Aber an welcher Stelle genau sind wir aufs Glatteis geführt worden? - Wir hatten doch zuvor Expertisen, sinnlich erfahrbare Präsentationen und eine aufwändige Bürger*innenbeteiligung. An dieser Stelle fehlt dazu immer noch eine Aufarbeitung und Analyse, in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten.

Darum nehmen Sie unseren Antrag zu mehr Austausch und Bürgerbeteiligung als ersten Aufschlag. Sie müssen ja nicht allem zustimmen. Es geht darum, demokratische Streitkultur zu stärken und dauerhaft zu etablieren, fair und angemessen miteinander umzugehen und so zu konstruktiven Beschlüssen zu kommen. Klagen nach dem Motto „Erst haben die unseren Antrag abgelehnt, und dann einen eigenen, ganz ähnlichen, eingebracht, der dann beschlossen wurde!“, diese Klagen teile ich nicht! Hier geht´s doch nicht ums Copyright oder ein „Wer hat´s erfunden?!“, sondern ums Vorankommen bei wichtigen, notwendigen Entscheidungen.

Aber nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte!

Das Negativkonto enthält immer noch Ausgaben für das Gewerbegebiet Balbrede, die wir nach dem vorangegangenen Gerichtsentscheid nicht nachvollziehen können. Die Entscheidungsfindung zum Kaiser-Wilhelm-Platz ist ebenfalls kein Ruhmesblatt, selbst wenn sich die Baumfällungen für Parkplätze inzwischen wohl erledigt haben.

Ach ja, und eines habe ich auch gelernt durch diesen Debattenverlauf: Es reicht nicht, inhaltlich einem Antrag einer anderen Fraktion zuzustimmen. Was wir wollen, müssen wir immer auch selber beantragen, offenbar. Sonst wird womöglich durch eine Benehmensherstellung zwischen Verwaltung und der antragstellenden Fraktion vor den entscheidenden Abstimmungen der Antrag, den wir unterstützen, gar nicht mehr zur Abstimmung gestellt. So ist es geschehen mit dem Antrag der Freien Wähler, die Heinrich-Drake-Straße ganz abzuschaffen.

Ich möchte nun zu den Diskussionen kommen, die im Rahmen der Haushaltsdebatte geführt wurden.

Meine erste Reaktion auf den SPD-Antrag „Global nachhaltige Kommune“, der uns letztens als Tischvorlage präsentiert wurde, lautete: „Die SPD möchte jetzt, dass der Rat über ihr Wahlprogramm abstimmt!“ - Wir erwarten, dass nach der Wahl all diese Absichtserklärungen mit Leben gefüllt werden, und dass daraus noch eine Menge konkreter Vorschläge hervorgehen.

Die heftigen Reaktionen jedoch auf den SPD-Antrag, mit dem die Fraktion zur Beseitigung von Schottergärten beitragen wollte, haben mich erstmal sprachlos gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen-Fraktion:

Ist es nicht sinnstiftender, um bestmögliche Lösungen zu ringen, als ganz ohne eigene Gegenargumente oder Gegenvorschläge den Hermann zu machen? - Ich bin jedenfalls überzeugt, dass wir nur durch den Austausch von Ideen vorankommen, auch wenn sie nicht alle perfekt sind. Jedenfalls erwarte ich nach dieser heftigen und kurzen Debatte, dass nun seitens der Grünen-Fraktion konstruktive neue Vorschläge zu dem Thema vorgelegt werden. Wir können die Welt nicht durch Strafen und Verbote ändern! Darum schmettern Sie interessante Ideen nicht einfach ab, nehmen Sie die Bälle an und spielen Sie sie zurück!

Manchmal braucht´s langen Atem! Im Februar 2017 war im Aufsichtsrat der DetCon mit übergroßer Mehrheit beschlossen worden, einige Taktzeiten im Stadtverkehr zu verkürzen, mit nur einer Gegenstimme - von uns. Heute haben wir Anträge der SPD und der SVD-Geschäftsführung vorliegen, die Taktzeiten zu erweitern, und zwar weit mehr, als wir uns das damals haben träumen lassen. Inzwischen sehen Sie die Wertigkeit des ÖPNV anders als damals, und das ist gut so.

Sogar die CDU will nun kurz entschlossen die Zuzahlungen für die Anrufsammeltaxis beenden, und wir stimmen dem zu. Ob das so auf die Schnelle durchkommt, ist fraglich, aber so oder so, dieser Antrag lässt die Schlussfolgerung zu, dass die CDU sich künftig nicht mehr über das laufende Defizit im Stadtverkehr beschweren wird.

Schließlich möchte ich Ihnen noch einige Überlegungen zur finanziellen Ausstattung der Stadt darlegen.

Haben Sie es auch schon gemerkt? -Ich spüre bereits einen Elefanten im Raum, einen, der noch nicht da ist, aber wahrscheinlich bald kommen wird! - Es ist wahrscheinlich, dass wir demnächst hier im Rat ganz andere Diskussionen führen werden wie bisher, und zwar nicht nur zum Klimaschutz. Aber woran liegt es, dass reaktionäre Positionen solche Wahlerfolge feiern? Die leiten sich nicht nur dadurch her, dass sich einzelne Menschen ausgegrenzt fühlen. Ich behaupte, das Erstarken des Rechtspopulismus kommt auch daher, dass in manchen Regionen in Deutschland die gesamte Infrastruktur darniederliegt. Letztendlich ist die Minderausstattung von Kommunen einer DER Schlüssel dafür, dass Populisten aus der rechten Ecke, Rassisten und Neonazis immer mehr Raum in unserer Gesellschaft beanspruchen und auch bekommen.

Eben darum will ich einmal mehr appellieren an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren:

Setzen Sie sich für einen auskömmlichen kommunalen Haushalt ein, gehen Sie Ihren Landtags- und Bundestagsabgeordneten damit auf die Nerven. Weisen Sie, wo immer Sie die Gelegenheit haben, darauf hin, dass die strukturelle Unterfinanzierung von Kommunen ein Herd für die Ausbreitung von Rechtsradikalismus ist. Helfen Sie mit, für eine gute Ausstattung unserer Stadt zu sorgen! Und fangen Sie in den Stadtteilen, die es am meisten brauchen, damit an!

Viel mehr als jede Heimattümelei kommt es unserer Stadt zu Gute, wenn in den Nahverkehr und die Infrastruktur vor allem in denjenigen Stadtteilen, in denjenigen Schulen und KiTas, die es am meisten brauchen, richtig und gerecht investiert werden kann.

Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn die Ausstattung für die Quartiere, für die Menschen vor Ort, die sich NOCH engagieren, vernünftig und angemessen ist. Es ist Sparen am völlig falschen Ende, wenn die öffentlichen Haushalte auf allen Ebenen durch schwarze Nullen beschnitten werden.

Trotz alledem stimmen wir dem diesjährigen Haushalt zu, denn wir verabschieden erstaunliche Anträge, die vor ein oder zwei Jahren noch undenkbar erschienen, und, wie schon eingangs gefordert:

„Wir haben nicht das Recht, keinen Erfolg zu erzielen!“

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