Haushaltsrede Fraktion DIE LINKE. 2018 im Detmolder Rat: „Ein Haushalt sollte die Werte und Prioritäten unseres Landes und seiner Einwohner widerspiegeln.“

Evelin Menne, Vorsitzende DIE LINKE. Fraktion im Detmolder Rat
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Bitte behalten Sie diesen Gedanken im Sinn, denn daran möchte ich den Detmolder Haushalt gemessen sehen: „Der Haushalt 2018 sollte die Werte und Prioritäten unserer Stadt und ihrer Einwohnerinnen und Einwohner widerspiegeln.“

Wie stehen Sie selbst zu dieser Aussage? Und wie sieht die Realität in Detmold aus?

In unserer Stadt herrscht ein Süd-Nord-Gefälle, nicht nur geologisch. Im Süden, da ist nicht nur der Teuto, da sind auch alle touristischen Attraktionen angesiedelt. Und wer kann schon was dagegen haben, wenn die Sehenswürdigkeiten selbst, also der Hermann nebst Waldbühne, der Vogelpark und die Adlerwarte aufgehübscht werden? Auch wenn hauptsächlich die jeweiligen Betreiber investieren, Detmold tut oft einen Batzen dazu, notfalls über die LTM-Förderung.

Zur Attraktivitätssteigerung soll es 2018 zunächst in Heiligenkirchen, später sicher auch in Berlebeck und Hiddesen, sogenannte Mobilitätspunkte geben, die die CDU haben möchte. Die Mobilität für (touristische) Nutzerinnen und Nutzer soll verbessert werden, touristische Ziele sollen besser vernetzt werden.

Und was ist mit einer besseren Ausstattung des ÖPNV, längeren Taktzeiten etc. in denjenigen Ortsteilen, wo zwar kaum Touristen hinkommen, aber viele Menschen mit geringem Einkommen und ohne eigene Fahrzeuge wohnen? Dort werden schon bei der Ausschreibung Fahrpläne zusammengestrichen, aus Kostengründen!

Wir können dem nicht zustimmen, weil wir gegen das Zusammenstreichen von Taktzeiten sind, ganz gleich, ob es sich um schlecht genutzte Randzeiten oder um die Taktung am Abend geht. Wenn wir tatsächlich zukunftsorientierte Mobilität in Detmold wollen, dann müssen im Gegenteil alle Optionen geprüft werden, um die Takte und die Versorgungszeiträume zu erweitern.

Ausdrücklich loben wir zwar das Bemühen der SVD, durch die Einhaltung der bisherigen Landesvorgaben Tarifbindungen einzuhalten. Gute Arbeitsbedingungen sind eine Voraussetzung für einen sicheren und qualitativ hochwertigen Nahverkehr. Aber Innovation und Zukunftsfähigkeit sieht anders aus und muss noch mehr liefern. Ein tragfähiges Nahverkehrs- und Mobilitätskonzept muss unter Einbeziehung aller Ortsteile und mit umfassender Bürgerbeteiligung entwickelt werden. Das wird hoffentlich die notwendigen Erkenntnisse bringen, damit ÖPNV in ganz Detmold umweltfreundlich, tariftreu, sowie kunden- und bedürfnisorientiert funktioniert.

Aber zurück zum Detmolder Süden: In Hiddesen wird´s demnächst wohl auch Geld für einen „Hermann-Kreisel“ geben. Das wollen zumindest einige Anwohnerinnen und Anwohner und vertreten dieses Anliegen höchst engagiert, andere sind mindestens ebenso engagiert strikt dagegen. In unseren Augen ein absurder Streit, es gibt wichtigere Probleme zu lösen. - Aber wie auch immer das ausgeht, wir stellen fest: Im Detmolder Süden kreiseln die Probleme meist um den Tourismus und darum, wie mit städtischen Investitionen mehr Geld für das dort angesiedelte Tourismusgewerbe zu machen sei.

Was aber bekommt der Norden, wo der Tourismus brachliegt? Der Norden bekommt, so hat es ebenfalls die CDU beantragt, „mobile Jugendarbeit“, die angeblich, so lautet die Begründung, gegen Armut helfen soll. Wir haben ja gar nichts dagegen. Mobile Jugendarbeit an sich ist eine gute Sache, aber bitte in ganz Detmold. Aber die Begründung, die ist einfach hanebüchen. Denn da steht wirklich und wahrhaftig: „Das Jugendamt erarbeitet […] nachhaltige Projekte zum Thema ‚Armutsbekämpfung‘ und stellt diese dem Jugendhilfeausschuss zur Entscheidung vor.“

Dasjenige Jugendamt, das - wo auch immer - die Leistung vollbringt, Armut nachhaltig zu bekämpfen, sollte direkt nicht nur das Bundesverdienstkreuz bekommen, es sollte auch schleunigst nach Berlin umziehen und dort die Aufgaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übernehmen, denn dann könnten diese Jugendamts-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter an dieser Stelle wirklich Nachhaltiges und Großartiges vollbringen.

Mal abgesehen davon, dass diese Forderung unrealistisch ist, wehren wir uns ganz entschieden dagegen, dass hier „arme“ Jugendliche unreflektiert gleichgesetzt werden mit „problematischen“ Jugendlichen.

Aber weiter: Was kriegt denn der Detmolder Norden noch? - Ein Gewerbegebiet ist angekündigt worden, an der Balbrede. Und eine Bürgerinitiative dagegen hat sich gebildet. (Jaja, ich weiß wohl: Es heißt „Aktionsbündnis: Schützt Menschen und Tiere im Detmolder Westen.“ - Das Gebiet dem Norden zuzuschlagen macht mir aber meine Erzählung leichter, darum bitte ich um Nachsicht.) Hier sollen Teile eines Naturschutzgebiets, in dem es noch idyllische Naherholungswege und seltene Tierarten gibt, zu Gunsten künftiger Industrieansiedlungen weichen. Die Menschen aus den anliegenden Gebieten haben schon einiges unternommen, um mit ihren Anliegen an die Öffentlichkeit zu treten, aber wieweit geht die Verwaltung und die Politik darauf ein? Das Aktionsbündnis fühlt sich jedenfalls nicht angemessen bürgerbeteiligt.

Wir reden viel von Umwelt- und Klimaschutz, von Lärmaktionsplänen, von E-Mobilität. Aber was soll das alles, wenn wir gleichzeitig Landschaftsfläche immer weiter versiegeln, wenn wir Naturschutzfläche weiter zerstören, wenn wir weiterhin auch dazu beitragen, dass der Zugangsverkehr in Gebieten, die jetzt noch naturbelassen sind, weiter zunimmt? So sind Lärmschutz-, Klimaschutz- und Umweltschutzmaßnahmen ebenso wie die ökologisch fragwürdige bedingungslose Steigerung der E-Mobilität eine Farce.

Ich möchte noch einmal daran erinnern: „Der Detmolder Haushalt 2018 sollte die Werte und Prioritäten unserer Stadt und ihrer Einwohnerinnen und Einwohner widerspiegeln.“ - Stimmen Sie mir zu? Immer noch?

Warum ist dann beispielsweise die ehrenamtliche Arbeit von „Menschen mit Migrationshintergrund“ in Detmold keine Sitzungsgelder wert, während die ehrenamtliche Arbeit im Beirat für Menschen mit Behinderung oder im Seniorenbeirat durch die Zahlung von Sitzungsgeldern anerkannt wird? Die Erläuterung hierzu steht noch aus, wir sind gespannt darauf.

Warum gibt es für Ausschussvorsitzende zusätzliche Entschädigungen in Höhe von 43.000 Euro im Jahr, aber nicht für die vielen Ehrenamtlichen, die sich in weiteren unbezahlten Gremien und Beiräten engagieren? Diese Menschen tun doch auch etwas dafür, dass wir in Detmold gut und gerne leben! Doch was passiert diesen Ehrenamtlern: Wer sich statt in städtischen Gremien in Bürgerinitiativen oder Vereinen einsetzt, muss erleben, dass die Gebühren für die Nutzung städtischer Räumlichkeiten seit Jahren steigen! Also müssen diese Leute für ihr bürgerschaftliches Engagement in steigendem Maße auch noch Geld mitbringen!

Ebenso sollen die Friedhofsgebühren als eine „Maßnahme zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit“ mehr als deutlich ansteigen. Höhere Gebühren sollen also den Wettbewerb steigern? Wie soll das gehen? Detmold wird damit teurer als sämtliche benachbarten Kommunen, mit einer Ausnahme. Und auch wenn Gebühren kostendeckend sein sollen, so sollte aus unserer Sicht der Griff ins Portemonnaie der kleinen Leute die letzte Möglichkeit sein, um eine Kostendeckung zu erreichen. Und gerade, wenn ein lieber Mensch uns wegstirbt, kommt uns doch das Gebührenvergleichen nicht als erstes in den Sinn. Wer von Ihnen würde denn aus Finanzgründen in solch einer Situation auf die Idee kommen, eine Bestattung in einer Nachbargemeinde zu erwägen? Es geht also gar nicht um den Wettbewerb im Vergleich der Kosten mit anderen Anbietern. Denn dann müssten die Friedhofsgebühren doch eher sinken! Aber anstatt belastbare Zahlen abzuwarten, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden, wie ursprünglich im Oktober besprochen, wird die Gebührenkeule nun schnellstens geschwungen. Natürlich belastet das diejenigen am meisten, die eh´ schon wenig haben.

Darum werden wir auch in Zukunft nicht aufhören, Gebührensteigerungen, pauschale Kürzungen sowie höhere Entschädigungen für Ausschussvorsitzende zu kritisieren. Wie jetzt belegt ist, ist der Beschluss, die Entschädigungen für Ausschussvorsitzende zu erhöhen, ohne Not gefasst worden, denn es handelt sich nicht um einen Erlass, der eingehalten werden muss. Die Ratsmehrheit sieht trotz erneuter Beschlussvorlage der Grünen Ratsfraktion zurzeit keinen Änderungsbedarf und möchte die weitere Entwicklung abwarten. Viele kleine Vereine haben dagegen unter den pauschalen Kürzungsbeschlüssen gelitten. Wir halten eine solche Beschlusslage nach wie vor für ungerecht und werden uns immer wieder dagegen aussprechen.

Zugegeben: Bei vielen großen Projekten sind wir ja einverstanden mit den Vorschlägen der Verwaltung und der Mehrheit der Ratsleute. Wir befürworten ganz klar den Ankauf derjenigen Teile der Britensiedlung, die für uns im Moment erschwinglich sind. Wir befürworten den Durchstich Kronenplatz und den Wärmespeicher. Das sind übrigens zwei Positivbeispiele für Projekte, die den Detmolder Norden attraktiver und lebenswerter machen. Wir befürworten ebenso das Projekt Hornsches Tor. Und wir befürworten durchaus, dass der Kaiser-Wilhelm-Platz saniert wird.

Aber das allein macht ja nicht die Stadt Detmold aus. Detmold ist vielmehr ausgezeichnet durch die Vielzahl an Vereinen und Initiativen, die es hier gibt. Und wir sind der Auffassung, dass mit der Kürzungspolitik der letzten Jahre, die in 2018 fortgesetzt wird, diesen Menschen nicht Genüge getan wird, diesem Engagement nicht Rechnung getragen wird.

„Der Detmolder Haushalt 2018 sollte die Werte und Prioritäten unserer Stadt und ihrer Einwohnerinnen und Einwohner widerspiegeln.“

Und ja, auch wenn ich mich wiederhole: Wir sehen nicht ein, dass die Menschen in unseren strukturell unterfinanzierten Kommunen durch solche sogenannten Konsolidierungsmaßnahmen an Lebensqualität einbüßen.

Die Schuld dafür tragen das Land und der Bund und es ist allerhöchste Zeit, dass diejenigen, die dort über unsere Geschicke bestimmen, sich für eine anständige und auskömmliche Finanzierung der Kommunen einsetzen. Dafür sind aber auch diejenigen verantwortlich, die sich in Parteien und Fraktionen hier vor Ort einbringen, aber gleichzeitig die in den Bundes- oder Landtag Gewählten nach Aufstellung ihrer Wahllisten aus der Verantwortung entlassen.

Mit dem Zitat einer eher konservativen Politikerin habe ich begonnen, mit unserem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi möchte ich schließen:

„Soziale Demokratie heißt vor allem: Alles, was zu den Voraussetzungen der Demokratie gehört, alles auch, was die Teilhabe aller einschränken könnte, muss Gegenstand politischer Willensbildung sein können.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine besinnliche Zeit und uns allen eine auskömmliche kommunale Finanzierung, damit wir alle an Detmolds Lebensqualität teilhaben können.

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