Haushaltsrede von Berndt Wobig, MdK DIE LINKE.

Redebeiträge im KreistagPressemitteilungen

Die Gesamtverschuldung des Kreises, also des Kreises Lippe und aller kreisangehörigen Kommunen, betrug 2010 mit 892,045 Mio. € fast 1 Mrd. €. Das sind ca. 2532,54 € pro Einwohner. Der Kreis selbst erscheint bei der Verschuldung mit ca. 495,18 € pro Einwohner eher zurückhaltend, gemessen an der Verschuldung einzelner Kommunen mit bis über 3000 € pro Einwohner.

Der Kreis verbraucht seine Ausgleichsrücklage. Von ehemals ca. 50 Mio. € sind nur noch rund 6 Mio. € übrig. Und das, obwohl wir uns in einer Phase relativ guter wirtschaftlicher Entwicklung befinden. Wenn es also nicht gelingt, in dieser Phase guter wirtschaftlicher Entwicklung die Ausgleichsrücklage zumindest unangetastet zu lassen, wird es uns auch zukünftig nicht gelingen, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt aufzustellen.

Sie wissen ebenso wie wir, dass das Problem der Haushaltslage des Kreises und der Kommunen nicht hausgemacht ist. Es ist die Folge jahrelanger falscher Landes- und Bundespolitik. Inzwischen herrscht ja bei allen Parteien Konsens, dass wir kein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmeproblem haben.

Vorschläge zur Bewältigung liegen seit Langem auf dem Tisch:

1. Es muss endlich gelingen, eine strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips durchzusetzen, - vielen Dank übrigens noch einmal an Herrn Grabbe für die hilfreichen Erläuterungen!

2. Wir brauchen dringend einen wirksamen Entschuldungsfonds für unsere Kommunen.

3. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer ist ein weiterer notwendiger Baustein für eine auskömmliche Finanzierung unserer kommunalen Aufgaben.

Ihre Bundes- und Landtagsabgeordneten sind längst aufgefordert, diese Vorschläge umzusetzen. Ich erinnere Sie nur daran, dass Sie hier unserem Konnexitäts-Antrag, zwar mit einigen kleinen Änderungen, aber mit überwältigender Mehrheit zugestimmt haben.

Wir hätten uns gewünscht, dass Sie diese Forderung an Ihre Abgeordneten in Düsseldorf und Berlin weitergeben und dann dafür sorgen, dass sie umgesetzt werden.

·         Haben Ihre Parlamentarier Ihnen denn Bericht erstattet über ihre Aktivitäten in Bezug auf kommunale Finanzausstattung und die fehlende Konnexität?

·         Was haben ihre Mandatsträger und -Innen denn geleistet, damit das allseits bekannte Problem endlich in Angriff genommen wird?

Bis auf einige Absichtserklärungen hören wir nichts. Lieber rettet man Banken als Kommunen, ob im Land oder im Bund. Selbst die Rettung Irlands, Griechenlands und Portugals erweisen sich nach und nach als Rettung auch der deutschen Banken!

Prüfen Sie doch mal, was Ihre Abgeordneten in Düsseldorf und Berlin für ihre Heimatgemeinden leisten. Stellen Sie doch diejenigen, die zu wenig dafür tun, einfach nicht mehr auf.

Ihre Nachfolger und Nachfolgerinnen würden sich sicher überlegen, ob sie ihre Gemeinden einfach weiter ausbluten lassen. Doch davon sind wir hier in Lippe weit entfernt, hier heißt es einfach: Weiter so.

Schauen wir uns doch die Situation hier in Lippe mal an, und schauen wir mal, wie viel Handlungsfähigkeit uns hier überhaupt noch bleibt:

98% der Ausgaben des Kreises sind Pflichtaufgaben und nur 2% freiwillige Ausgaben. Wir wissen längst, dass wir, die Politik, bei den Pflichtaufgaben nicht über das „Was“, sondern im Höchstfall noch über das „Wie“ entscheiden können.

Bei den freiwilligen Aufgaben, also bei nur sagenhaften 2% des Haushaltes, sind wir immerhin diejenigen, die über deren Verwendung entscheiden bzw. mitentscheiden.

Angesichts der beschriebenen Situation sind wir ganz schön großzügig. Wir beschließen mit dem Haushalt Dinge, die wir uns nicht leisten können.

So z. B. die Lippe Tourismus Marketing. Sie war schon 2- oder 3-mal pleite. Immer hat der Kreis erhebliche Mittel zugeschossen. Es besteht weiterhin ein Bedarf in Höhe von 450 000 €/Jahr.

Wir wünschen Indikatoren, die den Erfolg der ausgegebenen Gelder anzeigen, nach dem Motto: „Welche Ziele will ich mit dem Geld erreichen, und anhand welcher Vergleichszahlen stelle ich fest, ob das Ziel erreicht worden ist“.
Wir möchten gerne wissen, ob die lippischen Bürger und die lippische Wirtschaft einen Gegenwert für ihren Anteil an der Finanzierung erhalten.

Das Gleiche sagen wir zur OWL GmbH.

Wir wünschen uns auch hier Indikatoren, die den Erfolg der ausgegebenen Gelder anzeigen, nach dem Motto: „Welche Ziele will ich mit dem Geld erreichen und anhand welcher Vergleichszahlen stelle ich fest, ob das Ziel erreicht worden ist“.
Wir möchten auch hier gerne wissen, ob die lippischen Bürger und nicht nur die lippische Wirtschaft einen Gegenwert für ihren Anteil an der Finanzierung erhalten.

Das waren Ausgaben, die wir uns nicht leisten können oder leisten sollten. Diesen Ausgeben stehen Ausgaben gegenüber, die wir uns unbedingt leisten müssen:

So z.B. Wohnungsbauförderung/ Sozialwohnungsbau: Im Haushaltsentwurf steht, dass der Bestand an Sozialwohnungen "... sich in den vergangenen Jahren [...] kontinuierlich verringert hat, und dass damit auch in der Zukunft zu rechnen sei. Der Rückgang erkläre sich durch den Wegfall der Sozialbindung nach Darlehensrückzahlung und durch den demografisch bedingten nachlassenden Neubaubedarf.

Dazu erklären wir, dass die Nachfrage nach preiswertem, bezahlbarem Wohnraum in keiner Weise gedeckt ist. Wir alle wissen, das der demografische Wandel und die steigende Altersarmut zu immer mehr armen, alten Menschen führen. Für die und für alle anderen von Armut Betroffenen muss ausreichend preiswerter und energetisch hochwertiger Wohnraum (Wohnungsmiete und Heizkosten) zur Verfügung gestellt werden. Deshalb darf die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nicht gesenkt, sondern sie muss gesteigert werden.

Leisten müssen wir uns auch eine Gleichstellung bzw. eine Förderung der Gleichstellung, die den Namen auch wirklich verdient. 65% aller Kreisangestellten sind Frauen und nur 35% Männer. Auf den ersten Blick ist das doch prima, oder? Aber: Im einfachen und mittleren Dienst finden wir deutlich mehr Frauen als Männer. Im gehobenen Dienst sind es dann nur noch ein wenig mehr und im höheren Dienst plötzlich viel weniger Frauen als Männer. Daraus leiten wir folgende Forderungen ab:

1.    so viele Frauen in Führungspositionen, wie es ihrem Anteil an den Beschäftigten entspricht.

2.    Förderung der Bereitschaft von Frauen, sich auch für Führungspositionen zu qualifizieren.

In Teilzeitarbeit finden wir beim Kreis 46,9% Frauen und nur 4,2% Männer.Dazu unsere Forderung:

Wir wollen Weiterbildungsangebote auch für die, die in Teilzeit arbeiten, und das für alle Ebenen. Also passende Angebote für die Lebenssituation von Frauen. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich auch in Teilzeitstellen für den höheren Dienst zu qualifizieren. Es gilt, die Karriereorientierung von Frauen in allen Ressorts und in allen Tarifgruppen zu fördern.

Für die hochqualifizierten Frauen müssen dann natürlich auch angemessene Arbeitplätze zur Verfügung stehen. Deshalb wollen wir, DIE LINKE, dass überall da, wo es möglich ist, Teilzeitarbeitsplätze eingerichtet werden. Vor allem aber in Führungspositionen, damit Jobsharing möglich ist.

Die Besetzung der nächsten frei werdenden Führungsposition mit einer oder zwei Frauen würde verdeutlichen, dass Frauenförderung im Kreis Lippe ernst gemeint ist. Ich möchte es mal etwas überbetont sagen: Wenn wir an Ihrer Stelle, Herr Landrat, mal zwei Frauen sehen, sind wir etwas weiter.

Zum Thema Gesundheitsholding heißt es im Sachstandsbericht:

„Mit der nunmehr umzusetzenden strategischen Weiterentwicklung und Umstrukturierung im Gesundheitsbereich beim Kreis Lippe wird im Sinne aller Beteiligter ein wichtiger und vor allem auch notwendiger Beitrag zum Erhalt, zur Absicherung und zum zukunftsfähigen Ausbau der ärztlichen und pflegerischen Strukturen im Krankenhauswesen und in der Altenpflege geleistet.“

Das sehen wir anders:

Wir sind für eine Offenlegung der Entscheidungen im Verwaltungsrat der Lippe Klinikum GmbH und der Gesundheitsholding.
Wir sind für die Einführung der von uns eingebrachten Sperrklausel, die besagt, dass eine Privatisierung, auch von Teilbereichen, nur mit einer 2/3 Mehrheit im Kreistag möglich ist. Das ist möglich, wie die Urteile des VG Arnsberg von 2007, bestätigt durch das OVG NRW, 2009 ausweisen.
Wir sind dagegen, dass die Beschäftigten im Gesundheitsbereich der Kreiseinrichtungen mit ihren Lohneinbußen die Wertsteigerung der Passiva finanzieren.
Wir meinen, dass Gesundheitsversorgung und Altenpflege in öffentlicher Verantwortung, aber hinter verschlossenen Türen nicht reicht. Die lippischen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssen vollständig zurück in die öffentliche Hand, damit:

·         Gesundheit und Pflege keine Ware wird,

·         Damit auskömmliche Löhne gezahlt werden,

·         Damit Arbeitnehmerinnenrechte gewahrt werden,

·         Damit das Personal nicht zum Erfüllungsgehilfen der wirtschaftlichen Interessen missbraucht wird,

·         Damit die gerechte Bezahlung von Reinigungs- und Hygienetätigkeiten nicht dem Profit geopfert wird,

·         Damit die Beschäftigten nicht unter zu großen Leistungsdruck geraten und dadurch krank werden.

Qualitätssicherung in Gesundheit und Pflege bedeutet vor allem auch, dass die Arbeitsbedingungen für alle so gestaltet sein müssen, dass nicht nur das medizinische Notwendige sondern auch das Menschliche wieder stattfinden!
Wir alle wünschen uns im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit menschliche Zuwendung und Wärme.
Arbeitsverdichtung und Stress tragen dazu bei, dass diese existenziellen Bedürfnisse von Patienten und Pflegebedürftigen nicht mehr erfüllt werden können. - Und das liegt nicht etwa am fehlenden guten Willen des Personals!!!

Lt. Naisbitt sind in unserer Informationsgesellschaft die Schlüsselfaktoren des Erfolgs Information, Wissen, Kreativität. Es gibt nur eine Stelle, wo man diese Ressourcen findet – in den Mitarbeitern.

Nun zu einer der größten Baustellen zur Zeit, der Inklusion:
Wir sind der Meinung, dass die Anstrengungen des Kreises für die Inklusion nicht ausreichend sind. Wir haben zwar eine Inklusionsbeauftragte aber Inklusion ist als Querschnittsaufgabe fachübergreifend definiert.

Wir meinen, dass ein politisches Begleitgremium zur Inklusion einberufen werden muss. Die Koordinierung der befassten Fachbereiche Jugendhilfe, Bildung, Soziales u. a., die Initiierung von Maßnahmen und Projekten, deren fachliche Begleitung und die Kontrolle erfordern mehr als eine Person, so gut diese Person auch sein mag.

Wir fordern, dass für Inklusion im Bereich der Bildung nicht nur Landesmittel durchgereicht, sondern weitere Mittel eingestellt werden, um dem festgestellten Bedarf gerecht zu werden.
Mit der Einrichtung dieses Begleitgremiums und der Einstellung von erheblich mehr Mitteln könnte der Kreis seine Bereitschaft zur Vorbereitung und Durchsetzung von Inklusion dokumentieren. Damit würden wir den Menschen mit Handicap signalisieren, dass sie im Kreis Lippe geachtet und ernst genommen werden.

Eine weitere Baustelle ist die Bildung. Die rote Laterne im Bertelsmann Report ist durch den Familienreport 2012 leider wieder bestätigt worden. Damals gab es große Aufregung und es fand das gleiche Spiel wie immer statt. Es machte päng, und wie im Hühnerstall flatterte alles aufgeregt herum und wie im Hühnerstall sitzen nach kurzer Zeit alle wieder auf ihrer Stange und machen weiter wie bisher.

Wir stellen fest: Jugendliche mit Migrationhintergrund machen immer noch zu selten Abitur, sind immer noch doppelt so häufig ohne Schulabschluss und sind immer noch doppelt so häufig ohne Berufsbildung wie ihre Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund.

Wir fordern wesentlich größere Anstrengungen des Kreises: Mehr Dampf bei Integration und vor allem mehr Geld.

Im Bereich Umwelt haben wir es mit einem eher lustigen Antrag zu tun: Im Nahverkehr möchte die CDU das Bus-fahren-lernen mit 2000 € fördern.

In einem Kreisgebiet,

·         Wo in manchen Gegenden gar keine Busse fahren, und die Kinder mit dem PKW zur Schule gebracht werden

·         wo Kinder, die mit dem Bus fahren müssen, das sowieso schon längst gelernt haben,

In einem Kreisgebiet,

·         wo Busfahrer Kinder aus den Bussen setzen, wenn sie die Fahrkarte vergessen haben,

·         oder wo der Bus nicht an der richtigen Haltestelle anhält,

das Bus-fahren-lernen zu bezuschussen, meine Damen und Herren von der CDU –ist mit Verlaub lächerlich!

Wie wäre es denn, wenn wir mir den 2000€ nach der Einführung des Sozialtickets im ganzen Kreis Informationsblätter zur Information der Berechtigten drucken lassen. Aber dazu später.

Abschließend zum Thema Naturschutz möchten wir noch einen besonderen Dank aussprechen:

Wir bedanken uns bei Ihnen von der CDU, bei Ihnen von den Grünen und auch bei Ihnen von der SPD für den Scherbenhaufen Nationalpark Teutoburger Wald und für die Einlösung Ihrer Wahlversprechen.

Im Ressort Soziales und Gesundheit ereilt uns ein immer größer werdendes Problem:

In Bad Salzuflen und Detmold sind mehr als 100 Personen bzw. Familien von Stromsperrungen betroffen. Wir finden das erschreckend. Wir fordern eine kreisweite Erhebung damit das Problem benannt und erfolgreich bewältigt werden kann.

Von der Kulturcard und dem Sozialticket gibt es seit Monaten keine Neuigkeiten. Überall in den lippischen Städten und Gemeinden gibt es Ermäßigungen. Diese sollten wir vereinheitlichen und auf das gesamte Kreisgebiet ausdehnen. Aber es herrscht Schweigen im Walde und auch Sie von der SPD scheinen an Ihrem eigenen Antrag nicht mehr allzu sehr interessiert zu sein.

Die Notwendigkeit eines lippe- bzw. owl-weiten Sozialtickets wird von niemandem ernsthaft bestritten. Allerdings soll es kostenneutral sein.

Wie können wir von Geringverdienern und ALG-II-Beziehenden Flexibilität und Mobilität fordern, wenn sie sich die Fahrkarte nicht leisten können?

Es ist kein Geheimnis: Wir stehen für sanktionsfreie Leistungen im ALG-II-Bezug! Aber dennoch: Wenn Sie schon Mobilität und Flexibilität verbindlich einfordern, dann sind Sie auch dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Mobilität zu einem Preis innerhalb des Regelsatzes überhaupt ermöglicht wird. Und das sollte uns auch eine erkleckliche Summe wert sein. Damit wären wir wirklich einmal in einer Vorreiterposition.

Verkehr, Straßen, Ordnung

Statt Busfahren zu unterrichten, sollte der Kreis lieber Sorge dafür tragen, dass flächendeckend und rund um die Uhr Busse fahren. Die beste Schule zur Nutzung des Nahverkehrs ist ein attraktives Angebot direkt vor der Haustür, das zudem die Umwelt entlastet!

Herr Landrat, meine Damen und Herren, wir stellen fest, dass die von Ihnen präsentierten Ideen nicht das Prädikat gute Ideen erhalten können. Sie haben uns nicht überzeugt.

Es wird Sie daher nicht überraschen, dass wir diesem Haushalt in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen können.