Stadtverband Detmold – Der Kommentar

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Noch einmal: Corona

Kein Thema steht derzeit so häufig in den Schlagzeilen der Tageszeitungen und Websites wie all das, was mit Corona, Covid-19 etc. zu tun hat. Wir lernen neue Wörter, wie etwa „Herdenimmunität“ oder „Social Distancing“, die wir zuvor eher nicht gekannt bzw. gebraucht haben. Nun sind sie in fast aller Munde.

Große Teile der Qualitätsmedien, auch die Lippische Landeszeitung, bekommen es hin, wendehalsmäßig einmal mehr die Geschichten zu erzählen, die wir gemäß elitär herrschender Meinung gerade so brauchen. Wurde gestern noch ausführlich auf Studien der Bertelsmann-Stiftung hingewiesen, die über die Notwendigkeit von weiteren Kürzungen von Behandlungsangeboten regionaler Krankenhäuser oder gleich der kompletten Schließung ganzer Häuser schwadronierten, widmet man nun heuchlerisch ganze Seiten den „Helden“  des Gesundheitssystems in eben diesen zu schließenden  Krankenhäusern und anderswo. Und dem Schreiber dieser Zeilen geht es so wie einst Max Liebermann, der gar nicht so viel fressen konnte, wie er kotzen mochte.

Oskar Lafontaine hatte Recht, als er kürzlich darauf verwies, wer die wirklichen Leistungsträger mit der tatsächlich unverzichtbaren Arbeit sind (und schon immer waren): Krankenschwestern, Altenpfleger, Ärzte, Verkäuferinnen, Arbeiter in der Entsorgung, Paketboten, Busfahrer und noch viele andere. All die, die (politisch gewollt) in meist schlecht bezahlten und oft unsicheren Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, die aktuell das System aufrechthalten und dabei riskieren, sich anzustecken.

Und dann gibt es bei all dem grellen Corona-Licht noch die im Dunkeln, die (wiederum politisch gewollt) Vergessenen. So droht das kaum zu ertragende Flüchtlingselend z.B. auf Lesbos völlig aus dem Fokus zu geraten. Hierzulande macht sich kaum jemand Gedanken darüber, wie etwa Hartz-IV-Bezieher von ihren unverschämt geringen Regelsätzen einen wenigstens bescheidenen Quarantäne-Vorrat anlegen sollen.

Allenthalben regt man sich noch auf über Hamsterkäufe von Klopapier und Nudeln. Irgendwie ist das ja auch noch nachvollziehbar, dennoch sind die wahren Hamsterbacken doch wohl die, die jetzt bereits im Finanzcasino auf krisenbedingte Kursverfälle wetten, um weitere Milliarden zu scheffeln. Und die sind dann womöglich z.T. auch noch diejenigen, die von der herrschenden Politik mit unbegrenzten Kreditzusagen bei marktradikaler Laune gehalten werden. Kleinstbetriebe, Soloselbständige und Freiberufler hingegen müssen weitgehend selbst sehen, wie sie über die Runden kommen.

„Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht“, lautet das neoliberale Mantra, das in der Krise erfreulicherweise nicht mehr jede und jeden zu überzeugen scheint. „Wenn niemand an den anderen denkt, werden alle vergessen“, führen es immer mehr Menschen mit dem Soziologen Kuno Klamm fort. Sich rasch entwickelnde Initiativen wie die Nachbarschaftshilfe Saarland im Großen aber auch viele Helferinitiativen im Kleinen stehen für sozialgesellschaftliche Solidarität, die sich angenehm von dem heuchlerischen Solidaritätsgequatsche von Kanzlerin und Konsorten abhebt. Solidarität! Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Braucht’s erst diese Krise, um das gesellschaftlich Bedeutsame bewusst zu machen? Werden diese positiven Seiten mit dem Ende von Corona auch ein Ende finden?

Viele Menschen, wenn auch nicht alle, haben inzwischen verstanden, das die aktuelle Infektionskrise einem exponentiellen Wachstum unterliegt. Alle paar Tage (je nach Art der Zählung) verdoppeln sich momentan die Infektionsraten. Zu stoppen ist das Ganze in den meisten Ländern nicht mehr. Da hat die viel zu zaghafte und nicht immer kompetent wirkende  Politik zu viel Zeit verstreichen lassen. Jetzt geht es zunehmend darum, denen, die an der Gesundheitsfront stehen, dem medizinischen Personal, das zukommen zu lassen, was gebraucht wird. Hier wären bereitzustellende grenzenlose Mittel eine gute Investition. Jetzt, aber auch in Zukunft. Und um vielleicht noch ein bisschen Europa, das sich gerade zerlegt, zu retten, wäre es nicht schlecht, hierbei nicht nur national zu denken, sondern grenzenlos gerecht zu verteilen.

Hierbei darf und muss ordentlich geklotzt werden. Und damit nicht nur die Krankenschwestern und Verkäuferinnen ihren Teil zur Bewältigung beitragen, gern auch mit Hilfe von Enteignungen. Die gab es nach einer anderen noch größeren Krise, dem zweiten Weltkrieg, in Deutschland nämlich schon einmal. Gute alte Zeit.

 

Lothar Kowelek

20.3.2020