Anfrage und Antwort zur Ausstattung und Krisenbewältigung im Gesundheitsamt Lippe

Evelin Menne, DIE LINKE im Kreistag Lippe

Die Gruppe DIE LINKE bittet um Beantwortung folgender Anfragen, mündlich in der Sitzung des Kreistages und schriftlich zum Protokoll:

  • Wie sehen die Personalausstattung im Zusammenhang mit der Corona-Krise für die Kontaktverfolgung und die Verfahren zur Informationsweitergabe durch das Gesundheitsamt an die Bevölkerung aktuell aus?
  • Wie viele Neueinstellungen gab es durch Corona bedingt im Gesundheitsamt?
  • Gab und gibt es Personalgestellung durch andere Behörden/Bundeswehr?
    • In welcher Personalstärke?
    • Für wie lange voraussichtlich noch?
    • Wird die Personalausstattung für die kommenden Monate als auskömmlich eingeschätzt?
      • Wenn Nein: Welche Anstrengungen unternimmt der Kreis Lippe, um zusätzlich qualifiziertes Personal zu gewinnen?
      • Gibt es belastbare Zahlen darüber, welche Zuschüsse durch das Land oder den Bund geleistet werden?
      • Welche Aufgaben sind aus Anlass der Krise neu hinzugekommen?
      • Wie werden neue Aufgabenstellungen und sich dadurch ergebende Probleme durch Qualifikationen/Fortbildung aufgefangen?
      • Wie auskömmlich ist die Ausstattung des Gesundheitsamtes für digitale Kommunikation aktuell (Breitbandausstattung, notwendige Hard- und Software, Schulungen geeigneten Personals, …)?
      • Welche weiteren Probleme gibt es im Bereich der Kommunikation und Organisation? Wie werden diese gelöst?
      • Wie stellt sich die Erfolgsquote bei der Kontaktverfolgung in Lippe aktuell dar?

Sachdarstellung:

Aus allen Bereichen der Bevölkerung hören wir massive Beschwerden über die Qualität der Aussagen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsamtes. Nachdem jetzt auch ein Mitglied unserer Fraktion/Gruppe dieselben negativen Erfahrungen gemacht hatte, weil während eines Urlaubsaufenthalts in einem Nachbarland Teile des Nachbarlandes unvorhersehbar zum Risikogebiet erklärt worden waren, sehen wir dringenden Handlungsbedarf.

Aufgrund der oben benannten Situation gab es insgesamt 5 Anrufe unseres Mitglieds mit Standardfragen an die jeweiligen Mitarbeiter*innen. Der erste Anruf kam bereits aus dem Urlaubsland, spätere nach der Heimreise von zu Hause. Bei jedem Telefonat erhielt der Anrufer eine andere Antwort, das heißt, er hatte also insgesamt 5 verschiedene, sich widersprechende Aussagen darüber, wie er sich nun verhalten solle.

Dieses Beispiel spiegelt genau das wider, was uns auch von anderen Menschen zugetragen wird. Wir sind dennoch der festen Überzeugung, dass alle Mitarbeiter*innen ihr Bestes zum Schutz der Betroffenen und zum Erhalt der öffentlichen Gesundheit geben. Wenn der Informationsfluss aber dermaßen in die Irre geht, müssen den oben geschilderten Umständen grundsätzliche Probleme zugrunde liegen. Diese grundsätzlichen Probleme dürften im Wesentlichen drei Ursachen haben:

  • Mangelhafte Personalausstattung
  • Probleme in der Qualifikation/Fortbildung
  • Fehlerhafte Kommunikation und damit auch ein organisatorisches Problem

Der Landrat ist als Dienstherr des Gesundheitsamtes aufgefordert sicherzustellen, dass die Qualität der Auskünfte, in Bezug auf telefonische Anfragen von Bürger*innen, Patient*innen und Arztpraxen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsamtes, signifikant verbessert wird.

Wir erwarten daher eine konkrete Erläuterung der Problemursachen und einen praxistauglichen kurzfristigen Plan, wie diese Probleme beseitigt werden sollen. Andernfalls steht zu befürchten, dass die Akzeptanz in die Arbeit des Gesundheitsamtes weiter schwindet, und dass damit zumindest emotional den Corona-Leugner*innen ein Nährboden geboten wird.


Detmold, den 06.11.2020

Anfrage der Gruppe Die Linke im Kreistag des Kreises Lippe vom 09.11.2020 (DS-Nr. 124/2020)

- Stellungnahme der Verwaltung

Vorab: Die in der Anfrage implizierten Vorwürfe an Mitarbeiter und Verantwortliche weise ich zurück. Sie sind haltlos und aufgrund der Entwicklung der Lage und der Zahlen unbegründet. Ich halte es in dieser Situation für angezeigt, sich zunächst sachlich zu informieren und sodann die Situation zu beurteilen und ansonsten die Verwaltung in ihren Bemühungen zu unterstützen. 

Zur Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:

1. Personalsituation
Die Personalsituation stellt sich insgesamt wie folgt dar:

- Im Gesundheitsamt sind insgesamt rd. 44 Stellen (VK) im Stellenplan 2020 eingerichtet. Hiervon
sind (ohne die situationsbedingt in unterschiedlichem Umfang erforderlichen Mehrarbeitsstun-
den) rd. 30 Stellen mit den Maßnahmen der Eindämmung der Covid-19 Pandemie beschäftigt.
Hinzu  kommen die 13 Stellen des Kreis-Katastrophenschutzes.

- Aufgrund des Kreistagsbeschlusses vom 05.10.2020 werden 10 Planstellen zusätzlich in der
Gesundheitsverwaltung geschaffen, welche aktuell in der Stellenbesetzung sind (5 MFA und 5
Verwaltungsaufgaben)

- Es ist vorgesehen, im Rahmen des aktuellen Stellenplanes weitere 5 Stellen zu besetzen (u.a.
zentrale Personaleinsatzplanung Personalservice, Organisation Schichteinteilung und Personal-
planung und Unterstützung des Krisenmanagements im Gesundheitsamt und FAZ, zentrale IT).
Diese werden im Stellenplan 2021 zusätzlich veranschlagt. Die Stellenbesetzung ist im Zulauf.

- Aus der Kreisverwaltung sind zurzeit rd. 70 Mitarbeiter für Verwaltungsaufgaben an das Ge-
sundheitsamt abgeordnet (insbesondere eingesetzt für Kontaktnachverfolgung, Auswertungsauf-
gaben, Testungsorganisation und Quarantänemanagement; der Einsatz erfolgt im Gesundheits-
amt und im Bereich des Katastrophenschutzes / FAZ Brake).

- Aufgrund der Kostenübernahmezusage der Landesregierung werden weitere 16 Mitarbeiter be-
fristet für zunächst 6 Monate eingestellt für die Kontaktnachverfolgung.

- Im Wege der Amtshilfe durch Kommunen sind zurzeit weitere 8 Verwaltungsmitarbeiter einge-
setzt.

- Durch lippische Hilfsorganisationen sind zurzeit rd. 7-10 Mitarbeiter für mobile Abstrichteams im
Einsatz, durch die Netzwerk Lippe GmbH sind es hierfür 8 Mitarbeiter.

- Aufgrund eines Amtshilfeersuchens an die Bundeswehr sind zurzeit 30 Soldatinnen und Solda-
ten durch die PzBrig 21 gestellt, hiervon sind 20 für Kontaktnachverfolgung, 5 als Fahrer und 5 im
Abstrichzentrum eingesetzt. Für die Kontaktnachverfolgung sind weitere 20 Soldaten und Sol-
datinnen der PzBrig 21 im Zulauf (Insgesamt 50).

- Der Dienstleister für das Abstrichzelt stellt Einweiser im Umfang von 5 Personen.

- Der Bewachungsdienst stellt weiteres Personal für eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung.

- In der zentralen Corona-Hotline 62-1100 beim Kreis Lippe sind zurzeit rd. 50 Mitarbeiter der
Kreisverwaltung im Zweischichtbetrieb im Einsatz. Aufgrund des Aufwuchses der Anrufe wird das
Personal hier weiter aufgestockt.

Zusammenfassung: Einschließlich des Stamm-Personal des Gesundheitsamtes sind zurzeit rd. 275 MitarbeiterInnen des Kreises, PzBrig 21 „Lipperland“, Kommunen, Hilfsorganisationen und externer Dienstleister im Einsatz oder im Zulauf. Dies ist das Doppelte wie in der ersten Welle im Frühjahr.

2. Einarbeitung
Bei den KreismitarbeiterInnen und den MitarbeiterÍnnen der Kommunen handelt es sich weitgehend um ausgebildete erfahrene Verwaltungsfachkräfte. Diese werden durch das Personal des Gesundheitsamtes in ihre Aufgaben eingewiesen und eingearbeitet. Die SoldatInnen der PzBrig 21 wurden für ihre Aufgaben entsprechend durch die Bundeswehr-Dienststellen ausgewählt und werden ebenfalls entsprechend eingearbeitet. Insgesamt ist durch das interne Qualitätsmanagement eine ordnungsgemäße und rechtmäßige Bearbeitung der ordnungsbehördlichen Aufgaben gewährleistet.

3. Kosten
Die Anerkennung der strukturellen Personalaufstockungen durch den vom Bund avisierten Pakt für das Gesundheitsamt ab 02.2020 ist zugesagt. Hierzu sind noch keine Einzelheiten bekannt. Der Bund stellt für 5-6 Jahre rd. 4 Mrd. Euro bereit, hiervon entfallen 3,2 Mrd. EURO auf die örtlichen Gesundheitsämter.

Für die o.g. befristete Einstellung von 16 MitarbeiterInnen wird eine monatliche Pauschale durch das
Land in Höhe von 5.200 EUR/MA gezahlt. Stellen und Mittel werden im Haushalt 2020 eingeplant.

Für den Einsatz der SoldatInnen fallen neben den Kosten des Arbeitsplatzes und der Verpflegung keine weiteren Kosten an.

ALLE weiteren Personal- und Sachkosten des Jahres 2020 werden nach dem Kommunalen Haushaltsrecht (KomHVO NRW)  im Jahresabschluss 2020 isoliert und soweit möglich ertragswirksam aktiviert.
Dies trifft auch für die Haushaltsplanung für das Jahr 2021 zu. Insgesamt wird zurzeit von Corona-bedingten Mehraufwendungen und Mindererträgen im Gesamthaushalt von rd. 11,2 Mio. € ausgegangen (vgl. Bericht im letzten FPA). Ein geringerer Anteil hiervon entfällt auf das Gesundheitsamt und das FAZ.

4. IT und Kommunikation
Für die Organisation der Kontaktnachverfolgung und Abstriche sowie deren Dokumentation etc. wurde intern eine Browser-basierte Datenbanklösung erarbeitet, welche auch mobil eingesetzt wird. Diese wird stetig an die Entwicklungen angepasst. Ohne diese Lösung wäre eine Bearbeitung nicht möglich. Für die Aufgaben werden vorhandene Endgeräte und die insgesamt auskömmliche Infrastruktur und Netzwerktechnik eingesetzt. Zusätzliche Arbeitsplätze werden mit digitalen Endgeräten ausgestattet. Hierfür reichen die im IT-Bereich bereitstehenden Reserven bisher aus. Ggf. wird überplanmäßig nachbeschafft.

5. Arbeitsplätze
Im Klinikum-Verwaltungsgebäude Lemgo sind zurzeit rd. 900 qm zusätzlich angemietet. Alle Schulungsund Besprechungsräume am FAZ sind belegt. Zusätzlicher werden am FAZ 20 mobile Container mit Doppelarbeitsplätzen eingerichtet. Für die Hotline werden vorhanden Büros und Überlaufplätze in der Kreisverwaltung genutzt.

6. Kontaktnachverfolgung
Die Kontaktnachverfolgung ist aktuell insgesamt gewährleistet. Durch arbeitsschutzrechtlich indizierte Einschränkungen u.a. an den Wochenenden und den Randzeiten, kann es dort insbesondere in der Hotline zu Wartezeiten kommen. Insgesamt ist die Einrichtung eines durchgehenden Zwei-Schichtbetriebes in der Umsetzung. Aufgrund der großen Anzahl der Kontakte und des diffusen Infektionsgeschehens ist die Organisation des Abstrichgeschehens und die Kontaktnachverfolgung insgesamt sehr zeitaufwendig. Bei einem weiteren Anstieg der Zahlen in dem bisherigen Tempo wird eine Clusterung, wie bei vielen anderen Gesundheitsbehörden schon, erforderlich werden können.

7. Prognose
Eine verlässliche Prognose des Fortgangs ist insgesamt nicht möglich. Hierfür werden im Krisenstab mindestens wöchentliche Beratungen und Konsultationen mit allen Fachleuten der einzubeziehenden Dienststellen vorgenommen.

In Vertretung

gez. Grabbe
Kämmerer