Detmolder Haushaltsrede 2013

Lothar Kowelek, Ratsmitglied, DIE LINKE. Detmold
Reden im Detmolder StadtratAnfragen und Anträge in DetmoldDetmold: Pressemitteilungen

Da hat der Bürgermeister der kleinen französischen Stadt Sevran einen 6-tägigen Hungerstreik vor der Nationalversammlung in Paris durchgeführt. Es gelang ihm auf diese Weise, eine Soforthilfe in Höhe von 5 Millionen Euro für die klammen Kassen seiner Gemeinde zu erhungern.

Warum ich damit jetzt anfange, weiß ich auch nicht so genau. Ich bin keineswegs der Meinung, dass der Bürgermeister der Stadt Detmold zu einer derart spektakulären, aber auch äußerst verzweifelten Handlung motiviert werden müsste.

Da hat der Bürgermeister der kleinen französischen Stadt Sevran einen 6-tägigen Hungerstreik vor der Nationalversammlung in Paris durchgeführt. Es gelang ihm auf diese Weise, eine Soforthilfe in Höhe von 5 Millionen Euro für die klammen Kassen seiner Gemeinde zu erhungern.

Warum ich damit jetzt anfange, weiß ich auch nicht so genau. Ich bin keineswegs der Meinung, dass der Bürgermeister der Stadt Detmold zu einer derart spektakulären, aber auch äußerst verzweifelten Handlung motiviert werden müsste.

Detmold wird auch keine Pferdesteuer einführen, wie es das nordhessische Bad Sooden-Allendorf unlängst als erste Gemeinde in Deutschland getan hat. Auch andere derart ungewöhnliche Ereignisse wird es vorläufig hier noch nicht geben.

Denn im Vergleich zu Sevran in Frankreich und Bad Sooden-Allendorf ist Detmold noch relativ gut aufgestellt. Aber weiterhin eben nur relativ gut.

Denn gleichzeitig und nach wie vor ist der Haushalt der Stadt Detmold ein von Spar- oder besser Kürzungsfaktoren geprägter und damit ein Überlebens- und keinesfalls ein Lebenshaushalt. Und da geht es der Stadt Detmold eben doch wie nahezu allen anderen Kommunen auch.

Darüber können unkritische mediale Schlagzeilen über Rekorde bei sprudelnden Gewerbesteuern nicht hinwegtäuschen. Auch wenn die Gewerbesteuern sprudeln mögen, haben die Gemeinden heute nicht mehr, sondern real weniger Einnahmen aus ihr als noch 2008. Man muß auch nicht lange darüber nachdenken, woran das liegt: Es ist die fehlende Berücksichtigung von Preissteigerungen, von denen nun einmal auch die Kommunen betroffen sind. Im Verhältnis zu 2008 sind die Gewebesteuereinnahmen real um 2,2 Prozent gesunken, nicht gestiegen.

Der Stärkungspakt in NRW, nach dem Gemeinden zusätzliche Gelder gegen Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich erhalten - das ganze erinnert mich übrigens fatal an die griechische Rettungsroutine - verspricht keine Abhilfe.

Ebenso die Zusage des Bundes auf 100prozentige Übernahme der Kosten für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab 2014 sind zwar ein Fortschritt oder korrekter, endlich eine Selbstverständlichkeit. Aber da warten wir doch mal ab, welche Realität uns da einholen wird. Denn ebenfalls ab 2014 greift der Fiskalpakt. Und der wird, wenn auch einige Fragen der Durchführung vor der Wahl im nächsten Jahr wohl kaum noch geklärt werden, auch die Kommunen und damit die Stadt Detmold angreifen.

Dabei ist es für uns auch ohne Fiskalpakt schwierig genug, einen Lebenshaushalt aufzustellen. Ein solcher hätte zu berücksichtigen Maßnahmen zur Inklusion, eine Ausweitung und Verbesserung des Fahrradwegenetzes, Verbesserungen im ÖPNV letztlich selbstverständlich mit dem Ziel der Kostenfreiheit, Personalentwicklungen in fast allen Verwaltungsbereichen, die diesem Begriff in einem aufstockenden Sinn gerecht werden. Detmolder Vereine, Initiativen, Organisationen müssen lebensfähig sein. Dafür müssen auch wir sorgen.

In Gießen ist der Deutsche Kinderschutzbund eine Sozialpartnerschaft mit einer Fast-Food-Kette eingegangen. Ja, wie verrückt ist das denn, und welche Formen sollen derartiges Sponsoring denn noch annehmen. Demnächst vielleicht auch in Detmold? Klar, die Vereine brauchen Geld und müssen sich etwas einfallen lassen. Aber, vor genau solchen Entwicklungen seien doch bitte wir davor!

Für all das und vieles mehr brauchen wir Geld. Wir haben kein Geld, wir haben Schulden. Wenn die öffentlichen Schulden in Deutschland sozialisiert werden – das wird gern gemacht - kommt man rechnerisch dahin, dass auch alle detmolder Bürgerinnen und Bürger zur Zeit mit ca. 24.500 Euro pro Kopf verschuldet sind.

Würde man das Vermögen derjenigen, bei denen diese Schulden gemacht wurden sozialisieren – das wird nicht so gern gemacht – dann würde jeder detmolder Bürger, jede detmolder Bürgerin über ein Guthaben von zur Zeit ca. 90.000 Euro verfügen. Eigentlich sind wir reich.

Leider nur rechnerisch. Daher ist es doch eine der wichtigsten Aufgaben, die vorhandenen Reichtümer dahin zu holen, wo sie gebraucht werden. Instrumente dazu gäbe es ja. Man muß sie nur anwenden über die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, über Erbschaftssteuern usw. und so fort. Wir müssen dafür sorgen, dass der Anteil der Kommunen am Gesamtsteueraufkommen von 13 Prozent wieder steigt. Der lag mal bei 18 Prozent. In anderen europäischen Ländern liegt er noch höher.

Wie gelegentlich zu hören ist, werden mit derartigen Forderungen oder Teilen derartiger Forderungen Türen eingerannt, offene Türen. Es mag ja sein, dass da Türen offen sind. Ich seh nur kaum einen, der auch durchgeht.

Der Verweis auf andere politische Ebenen hinsichtlich der Realisierung derartiger Instrumente kann von mir doch nur konfrontiert werden mit der Politik der letzten 15 Jahre dieser politischen Ebenen, insbesondere der Politik des Bundes. Ich bitte Sie!

Ich sage: Wer, wenn nicht wir … - das sagt man sonst eher in Gewerkschaftskreisen – Wer, wenn nicht wir, sorgt für die Kommunen, sorgt dafür, dass sich diese wieder aus der Einengung einer haushaltsspezifischen Überlebensphilosophie herauswagen um Forderungen nach städtischem Leben zu stellen?

Hier müssen wir uns entscheiden, uns entwickeln, hier müssen wir lernen. Rasch! Damit wir den Bürgermeister der Stadt Detmold nicht doch noch irgendwann zum Zelten ohne Überlebensration vor den Deutschen Bundestag schicken müssen.