Keine Sonntagsarbeit im Einzelhandel

DIE LINKE. Lippe, Lothar Kowelek, Kreisvorstand
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Die Linksfraktion im Rat der Stadt Bad Salzuflen hat im Stadtrat einem Antrag auf Sonntagsarbeit im Einzelhandel zugestimmt. Sie begründet diese Zustimmung mit der besonderen Situation Salzuflens als Kurstadt und der notwendigen Unterstützung des „kleinen“ Einzelhandels.

Der Vorstand des Kreisverbands DIE LINKE in Lippe sieht hierin einen eklatanten Verstoß gegen linke Grundsätze des Arbeitnehmerinnenschutzes, und nimmt wie folgt Stellung:

Schon die Weimarer Reichsverfassung schützte den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung. Mit Bezug auf die Weimarer Verfassung verleiht das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland diesem Schutz aktuell Bedeutung von verfassungsrechtlichem Rang. Die Zielrichtung dieser Norm ist weitreichend. Sie betrifft das gesamte öffentliche Leben.

Die Regelungsmacht der Bundesländer hinsichtlich der Ladenöffnungszeiten muss vor diesem Hintergrund ausgeübt werden. Gemessen an der Realität ist hier - auch für NRW - Kritik angebracht. Von den Ländern formulierte Ausnahmen, die auf kommunaler Ebene durchgewunken werden können, haben zur Folge, dass der Sonntagsschutz zunehmend weniger wirksam zu werden droht. Kürzlich erst wurden durch die Landesregierung NRW die Öffnungsmöglichkeiten im Rahmen eines sogenannten Entfesselungsgesetzes (Nomen est Omen) verdoppelt. Hier ist den Anfängen endlich zu wehren!

Selbstverständlich wenden wir uns nicht gegen notwendige und sinnvolle Sonntagsarbeit in den Bereichen öffentlicher Versorgung (Busfahrer, Krankenschwester u.a.) und Kultur (Theater u.a.), bei entsprechenden Zuschlägen, versteht sich. Sonntägliche Öffnungszeiten im Einzelhandel sind aber weder notwendig, noch machen sie sonst irgendeinen Sinn.

Dass Menschen über Sonntagsöffnungen mehr Geld ausgeben als ohne, entspringt einem Denkmuster, das an Realitätsverweigerung grenzt. Wir alle haben über Sonntagsöffnungen keinen einzigen Euro mehr zur Verfügung. Das Geld, über das wir verfügen, können wir bekanntermaßen nur einmal ausgeben, ungeachtet des Wochentages.

Abgesehen davon, ist der „kleine“ Einzelhandel personell meist gar nicht in der Lage, zusätzliche Öffnungszeiten abzudecken.

Beim Streit um Ladenöffnungen an Sonntagen geht es nicht um den Versuch der Bevormundung mündiger Menschen. Es geht um die Verhinderung einer Benachteiligung und damit um den Schutz von Menschen, die sonntags zur Arbeit gezwungen werden, ohne dass ein wichtiger Grund besteht. Denn den Preis für das „Sonntagsvergnügen“ bezahlen diese Beschäftigten, meist übrigens Frauen, die, wie wir alle wissen, durch traditionelles, nach wie vor existentes Rollenverhalten ohnehin von häuslichen, familien- und kinderbezogenen Belastungen mehr betroffen sind als Männer.

Mehr als jede(r) 4. Beschäftigte arbeitet in Deutschland derzeit ständig, regelmäßig oder zumindest gelegentlich an Sonn- und Feiertagen, Tendenz steigend. Angesichts dieser Tatsache besteht geradezu eine kommunale Pflicht, dieser Entwicklung, wo möglich, Einhalt zu gebieten.

Eine wesentliche Zielrichtung der Regelungen von Arbeitszeit ist der Gesundheitsschutz. Ein besonderer Faktor des Gesundheitsschutzes ist bekannt geworden unter dem Begriff „Social Support“, sozialer Unterstützung also (z.B. im familiären Rahmen) und ihrer gesundheitsförderlichen sowie krankheitsreduzierenden Wirkung. Social Support braucht verschiedene Voraussetzungen. Eine davon ist die kollektive gemeinsame wöchentliche Ruhezeit, eine zeitgleiche Unterbrechung werktäglicher Arbeit für möglichst viele. Eine Erosion dieser zeitgleichen Unterbrechungen ist letztlich nicht nur individuell, sondern auch gesamtgesellschaftlich kontraproduktiv.

LINKE Kommunalpolitik darf der Ausdehnung von Ladenöffnungszeiten auf Sonntage keinesfalls zustimmen. Denn, egal, ob Innenstadt oder Außenbezirk, Sonntagseinkauf oder Straßenfest, Kurstadt oder sonstige Stadt, der eine Öffnungsantrag ist so überflüssig wie jeder andere.