Kreis Lippe beschließt das Ende der Armut: Landrat will die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften bis Ende 2014 um 500 reduzieren.

Evelin Menne, DIE LINKE, Kreistagsgruppe Lippe
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Endlich ist das Ende der Armut in Sicht! Der Kreis Lippe und das Jobcenter Lippe haben die Abschaffung von 500 Bedarfsgemeinschaften bis Ende 2014 vereinbart. Das Jobcenter wird demnach zielgerichtet darauf hinarbeiten, dass es im nächsten Jahr in Lippe 500 Bedarfsgemeinschaften weniger gibt als noch in diesem Jahr.

Stellt sich die Frage, wie so etwas erreicht werden kann. Die schönste Vorstellung wäre, dass die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft in auskömmlichen Beschäftigungsverhältnissen leben und keine Bezüge nach dem SGB mehr benötigen. Eine schöne Aufgabe für das Jobcenter, aber ein wenig zu optimistisch. Eine andere Möglichkeit wäre, dass größere Bedarfsgemeinschaften sich auflösen und jede Person einzeln gefördert wird. Dieser Ansatz geht jedoch am Interesse des Kreises vorbei. Hat doch mit diesem Ansatz jeder einzelne noch höhere Zuwendungen zu erwarten. Das würde auch der bisherigen Praxis und Rechtslage widersprechen, die aus möglichst vielen Wohn- und Lebensgemeinschaften Bedarfsgemeinschaften machen möchte, um damit Geld zu sparen. Bleibt eine dritte Möglichkeit: Wenn Einzelne, die über ein Einkommen verfügen, das aufgestockt werden muss, kein Anrecht auf Förderung durch das Jobcenter mehr haben, besteht auch keine Bedarfsgemeinschaft mehr. Das würde den Kreis Lippe so richtig Geld sparen. Die Betroffenen müssten dann Leistungen in Anspruch nehmen, die durch andere Träger finanziert werden. Im Zweifelsfall müssten beispielsweise die Kommunen den Anspruch auf Wohngeld finanzieren.

Angesichts der gegenwärtigen Arbeitsmarkt-Situation ist davon auszugehen, dass sich eine grundlegende wirtschaftliche Verbesserung für die Leistungsbezieher nicht bis Ende 2014 einstellen wird. Bedarfsgemeinschaften sind eine Konstruktion des Sozialgesetzbuches, die für die Hilfe zum Lebensunterhalt herangezogen wird. Solange Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung existieren, wird es auch Bedarfsgemeinschaften geben, deren Zahl sich aus der Realität ergibt. Und diese Realität besteht nun einmal aus vielen Geringverdienern. Mini- und Teilzeitjobs, Stundenlöhne, die nicht einmal in Vollzeitarbeitsplätzen zur Mindestsicherung reichen, Scheinselbständigkeit von Subunternehmern, die von einem einzigen Auftraggeber abhängen, … - die Liste derjenigen, die nur mittels Aufstockung das Nötigste zum Lebensunterhalt erwirtschaften können, ist lang.

Evelin Menne, beratendes Ausschussmitglied für DIE LINKE, nutzte im Sozialausschuss am 16. September den Tagesordnungspunkt 5 „Eingliederungsmaßnahmen für SGB II Empfänger“ dazu, um eine Zwischenbilanz der Maßnahmen im Hinblick auf diese selbstverordnete Zielsetzung abzufragen. Eine plausible Erläuterung der bisherigen Teilschritte, die zu diesem Ziel führen sollen, ist jedoch ausgeblieben. Demnach gibt es bislang lediglich ein Angebot für dreißig Bedarfsgemeinschaften, an einer systemischen Beratung teilzunehmen. Diese soll mit ihrem ganzheitlichen Ansatz dazu beitragen, aus dem Bezug von ALG II herauszuführen.

Menne ist mit diesen vagen Aussagen mehr als unzufrieden: „Wie diese neue Form von Beratung, die wir ausdrücklich nicht ablehnen, bis Ende nächsten Jahres für insgesamt 500 Bedarfsgemeinschaften eine völlig andere, und deutlich verbesserte wirtschaftliche Situation schaffen soll, ist uns schleierhaft. Es kann nur eine einzige Erklärung geben, wie der Kreis Lippe diese selbst gestellte Aufgabe lösen will: Offenbar hat der Landrat gemeinsam mit dem Jobcenter beschlossen, dass jegliche prekäre Beschäftigung bis Ende nächsten Jahres aufhört und überdies ein auskömmliches Grundeinkommen für alle eingeführt wird. Oder wie könnte sonst eine Zielvereinbarung mit diesem Ausmaß eingegangen werden? DIE LINKE verlangt eine umgehende Information über alle Maßnahmen, die dieses Ziel verfolgen und die bisher erreichten Ziele, damit die Diskussion darüber unter Beteiligung der Öffentlichkeit fortgesetzt werden kann.“