Antrag zum Haushalt 2022: „Tarif- und Sozialdumping bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verhindern"

Gruppe DIE LINKE. im Kreistag Lippe
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... und durch angemessene Haushaltsmittel sicherstellen, dass in den privatrechtlich organisierten Unternehmen des Kreises Lippe die entsprechenden Tarifverträge der DGB-Gewerkschaften gelten!

Beschlussvorschlag:

  • Der Kreistag beauftragt die Verwaltung, die Vergaberichtlinien des Kreises Lippe in der Weise zu verändern, dass nur Firmen Aufträge erhalten, deren Mitarbeiter*innen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Im Rahmen der Vergabe sind hierzu bereits entsprechende Anforderungen aufzunehmen und im Rahmen der Auftragsdurchführung zu überprüfen.
  • Der Landrat schafft eine ausreichende Personal- und Sachmittelausstattung damit diese kreiseigenen Vergaberichtlinien umgesetzt werden können.
  • Der Kreistag beauftragt den Landrat sicherzustellen, dass in den privatrechtlich organisierten Unternehmen des Kreises Lippe die entsprechenden Tarifverträge der DGB-Gewerkschaften sowie die o.g. sozialen Kriterien wie die Existenz von Betriebsräten entsprechend Betriebsverfassungsgesetz usw. gelten!
  • Der Kreistag erteilt allen vom Kreistag entsendeten Gremienvertreter*innen in den kreiseigenen Betrieben und Beteiligungen die Weisung, diesen Beschluss in den jeweiligen Gremien einzubringen und durchzusetzen.
  • In Bereichen, in denen es einen einschlägigen Tarifvertrag gibt, wird bei der Ausschreibung des öffentlichen Auftrags auch über die Mindestbestimmungen des TVgG NRW hinausgehend festgelegt, dass nur Unternehmen, die tariftreu sind, den Zuschlag bekommen können. Tariftreue meint, dass das Unternehmen bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags den für den Ausschreibungsbereich maßgeblichen Tarifvertrag anwendet. Das komplette Tarifsystem einschließlich des gesamten Tarifgitters ist auf die Beschäftigten anzuwenden, die bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags eingesetzt werden.
  • Soziale Kriterien wie die Existenz von Betriebsräten entsprechend Betriebsverfassungsgesetz und das Bestehen von Ausbildungsplätzen sowie Systeme zur betrieblichen Gleichstellung von Männern und Frauen, die Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, die Einhaltung der ILO Kernarbeitsnormen, aber auch ökologische Aspekte und die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten spielen bei öffentlichen Ausschreibungen ebenfalls eine Rolle. Auch diese Kriterien werden je nach Leistung in Form von Mindestanforderungen, Eignungskriterien, Vertragsbedingungen oder Wertungsvorteilen in die Vergabeunterlagen aufgenommen. Eine Überprüfung im Vergabeverfahren erfolgt teilweise durch vorzulegende Erklärungen und Nachweise.
  • Die Ausschreibungsbedingungen gelten auch, wenn Nachunternehmen zur Ausführung des Auftrags eingesetzt werden.
  • Die Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen ist bei der Ausführung systematisch zu kontrollieren. Hierzu werden rechtssichere Vertragsstrafen, Klauseln und wirksame Kontrollmöglichkeiten nach der Auftragserteilung entwickelt. Bei Verstößen werden Vertragsstrafen bis zu fünf Prozent der Auftragssumme und die Möglichkeit des Auftragsentzugs bei Ersatz des für den Kreis entstandenen Schadens (durch Neuvergabe und Verzögerung des Verfahrens) vereinbart.
  • Dieses System wird von allen Gesellschaften, an denen der Kreis Lippe beteiligt ist, übernommen.

Sachdarstellung:
Tarifvertraglich geregelte Arbeitsverhältnisse müssen die Regel sein. Die öffentliche Hand ist der größte Auftraggeber. Jahr für Jahr geben die Vergabestellen des Bundes, der Länder und der Kommunen 400 - 450 Milliarden Euro für die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aus. Rund 12 Prozent aller öffentlichen Aufträge werden vom Bund, 30 Prozent von den Ländern und 58 Prozent von den Kommunen vergeben.
Mit der Novellierung des Tariftreue- und Vergabegesetzes NRW (TVgG NRW) im März 2018 wurde das Gesetz auf die (überwiegend bereits durch andere Normen geregelten) Themen Tariftreue und Mindestlohn reduziert. Die mit der Einführung des TVgG im April 2012 verbundenen Zielvorgaben zur generellen Beachtung von strategischen Beschaffungszielen, wie beispielsweise Umweltschutz, Frauenförderung und Energieeffizienz oder die Beachtung von Mindestanforderungen der Internationalen Arbeitsorganisation an die Arbeitsbedingungen im Herstellungsprozess sind damit entfallen.
Die Landesregierung begründete ihre Entscheidung, die verpflichtende Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in Vergabeverfahren zu streichen, damit, dass die Anwendung solcher Kriterien für die Kommunen im Rahmen der vergaberechtlich geschaffenen Möglichkeiten weiterhin zulässig ist. Dadurch sind klare und zentrale Vorgaben entfallen: Die grundsätzliche Entscheidung, ob im vorliegenden Beschaffungsvorgang Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden, und wenn ja, in welcher Tiefe, ist wieder auf eine Ermessensentscheidung im Einzelfall reduziert worden.
Mit dem Beschluss wird klargestellt, dass nicht nur rein ökonomische Kriterien betrachtet, sondern auch die gesellschaftlichen Auswirkungen in Bezug auf ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden.
Dabei geht es vorliegend vor allem um den Schutz der Beschäftigten vor Preisunterbietung durch Lohndumping, aber auch darum zu verhindern, dass hiesige sowie internationale arbeits- und sozialrechtliche Standards unterlaufen werden. Das Vergabeverfahren ist der Hebel, um prekäre
Beschäftigung zu verhindern und dadurch die öffentlichen Kassen zu entlasten. Eine enorme Rolle spielt dabei Schwarzarbeit.
Ein Gutachten zur rechtlichen Zulässigkeit von Tariftreueregelungen von Prof. Dr. Rüdiger Krause aus 2019 für das Arbeits- und Wirtschaftsministerium im Saarland kommt zu dem Ergebnis, dass Tariftreueklauseln auf Landesebene sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich zulässig sind. Die Sachlage wird bei einer kommunalen Regelung nicht anders zu beurteilen sein.
Die Bundesregierung weist im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) darauf hin, dass durch die Vergaberechtsreform ein Rechtsrahmen geschaffen wurde, der es den Vergabestellen ermöglicht, die öffentliche Auftragsvergabe stärker zur Unterstützung strategischer Ziele wie Sozialstandards, Umweltschutz und Innovation zu nutzen. Bund, Länder und Kommunen kommen somit ihrer besonderen Verantwortung und staatlichen Schutzpflicht nach und stellen sicher, dass mit öffentlichen Mitteln keine negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte verursacht oder begünstigt werden.
Der BAG-Beschluss in Sachen Konzernbetriebsrat Kreis Lippe vom 26.08.2020 (7 ABR 24/18) hat bestätigt, dass der Kreistag und der Landrat ein Weisungsrecht gegenüber den privatrechtlich organisierten Unternehmen des Kreises Lippe haben.

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