Detmolder Haushalt 2022: Eine ungehaltene Rede einer ungehaltenen Frau

Evelin Menne, DIE LINKE. im Rat der Stadt Detmold

Nicht nur aufgrund der beschlossenen Corona-Beschränkungen zum Vortrag der diesjährigen Haushaltsreden, die ich im übrigen unterstütze, stellt sich die Frage, wie lang oder kurz eine solche, ungehaltene Rede sein sollte. Die Antwort hat aber damit nichts zu tun, denn in diesem Jahr ist es für mich recht einfach, meine ungehaltene Haltung zum Haushalt zu begründen, daher wird es ein ziemlich kurzes Statement werden: Ich lehne den Haushalt ab.

 

Im Gegensatz zu meinem kurzen schriftlichen Redebeitrag haben wir im Vergleich zu früheren Haushaltssitzungen im HFA dieses Mal lange über die Haushaltsanträge für das kommende Jahr diskutiert. Dabei ging es um eine Gesamtsumme aller Anträge mit Kosten in Höhe von rund 300.000 €.
Ein sehr teurer Antrag kommt allerdings in dieser Rechnung nicht vor, denn er war als Verwaltungsvorlage bereits im Haushalt mit eingepreist. Es geht um die für mich immer noch unfassbar hohe Summe von 230.000 € für die Sanierung von Kriegsdenkmälern. Dabei wird Detmold, wenn die Vorlage so wie jetzt beschlossen umgesetzt wird, einen Beitrag von 161.000 € leisten. Ich habe bereits in meinem Haushaltsantrag auf Ablehnung dieser Verwaltungsvorlage ausführlich begründet, warum dies für mich nicht zustimmungswürdig ist. Dieser Beschluss ist völlig aus der Zeit gefallen, und es gäbe so viele andere sinnvolle Verwendungsmöglichkeiten für diese hohe Summe, dass ich mir eine erneute Aufzählung von mehreren weiteren Beispielen an dieser Stelle spare. Selbst wenn die Gesamtsumme für Detmold am Ende doch noch kleiner sein könnte, an dieser Stelle halte ich alles, was nicht unbedingt der Wahrung der Sicherheit dient, als Ausgabe für verfehlt.
Allerdings möchte ich ein Thema noch beispielhaft herausgreifen, um aufzuzeigen, wo ein mehr als dringlicher Handlungsbedarf besteht, und wo Kosten entstehen werden, die zumeist nicht eben einmal so durchgewunken werden.

Eine sicherlich bessere Verwendung der Summe, die Verwaltung und Politik so einvernehmlich für Kriegsdenkmäler ausgeben wollen, wäre es, mehr in das künftige Verkehrskonzept zu investieren.

Denn obwohl bereits 2017 das kürzlich präsentierte „Leitbild Mobilität“ auf den Weg gebracht wurde, ist es in all der verlorenen Zeit trotz der Expertenrunden und der Bürgerbeteiligungen keineswegs gelungen, für Detmold eine mobile Zukunft aufzuzeigen, die sich den Herausforderungen und Anforderungen der Klimakatastrophe in einem angemessenen und durch die Entwicklung längst vorgegebenen Zeitrahmen stellt.
Ja, ich benutze hier bewusst den Begriff “Katastrophe“, denn es handelt sich schon längst nicht mehr nur um eine Krise von vielen, die die Menschheit in der Vergangenheit bereits bewältigt hat. Denn ich bin überzeugt: Die Welt wird überleben, es ist nur die Frage, ob und wie lange und unter welchen Umständen wir Menschen noch auf dieser Welt leben werden.
Was die SHP Ingenieure uns dagegen als Leitbild aufzeigen, zeigt mir, dass sie den Auftrag ganz offenbar nicht verstanden haben. In der Schule wäre eine solche Arbeit mit „Thema verfehlt“ ganz gut beschrieben, eine Benotung daher zumindest schwierig.
Dabei hat uns nicht die Detmolder Politik, sondern die fortlaufende Prokrastinationspolitik der Nationen schon lange vorgegeben, dass wir die Klimaziele bis allerspätestens 2030 umgesetzt haben müssen. Im Vortrag der Ingenieursfirma wurde jedoch eine klare Aussage getroffen, nämlich dass die angestrebte Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf 45 % des gesamten Verkehrsaufkommens bis 2030 nicht erreichbar sei. Als Handlungsrichtlinie schlagen uns die Fachleute vor, selber aktiv Prokrastination zu betreiben, und die Zielvorgabe um fünf Jahre nach hinten zu versetzen.
Einmal mehr soll Prokrastination also als Problemlösung herhalten! Ich mag dieses schreckliche Wort, weil es lautmalerisch so überdeutlich vorgibt, was passiert, wenn alles immer aufgeschoben wird:
Es knirscht nämlich, wenn prokrastiniert wird, es knirscht ganz gewaltig, denn die Erde gerät immer mehr aus den Fugen!

Die Verwaltung hatte um eine Stellungnahme der Politik zum Leitbild Mobilität bis zum Jahresende gebeten, meine Position dazu ist hiermit klar umrissen:
Bitte lassen Sie sich nicht auf die vorgeschlagene Prokrastination ein, helfen Sie mit, zu den bereits im Leitbild enthaltenen Vorschlägen im künftigen Masterplan Mobilität weitere konstruktive Ideen hinzuzufügen, denn diese Ideensammlung ist bei weitem noch nicht vollständig. Setzen Sie sich mit Ihren Fraktionen, Ihren Abgeordneten und in allen anderen vorhandenen Diskussionsforen dafür ein, dass der ÖPNV zügig preiswerter und so bald wie möglich kostenlos wird! Sorgen Sie mit Ihrem politischen Einfluss dafür, dass der motorisierte Individualverkehr, der den höchsten Beitrag zu den CO2-Emmissionen leistet, gar nicht erst entsteht. Helfen Sie mit, die Klimaziele zu erreichen und nicht zu prokrastinieren!