Stadtverband Detmold – Der Kommentar Es reicht!

#GeorgeFloyd

Irgendwann reicht’s. Irgendwann ist die Wut größer als die Angst. Die Angst vor dem repressiven Staatsapparat und der teils rassistisch und mit Kontrollverlusten agierenden Polizei in den USA.

Das ist es wohl, was wir seit dem 25. Mai in vielen Städten der USA erleben. Jenem 25. Mai, an dem der Farbige George Floyd in Minneapolis von Polizisten zu Tode gefoltert wurde. Was anderes als Folter ist es, wenn 8 – 9 Minuten lang systematisch Hals und Brustkorb zusammengequetscht werden und somit die Lunge sich nicht ausbreiten kann und schließlich kollabieren muss? Das Flehen in Todesangst um ein wenig mehr Luft zum Atmen hatte umstehende Passanten zuwendend aktiv werden lassen, nicht aber die rassistische Staatsgewalt.

In unzähligen Städten der USA, aber auch in anderen Ländern wie Kanada, Frankreich, Neuseeland, Deutschland und Großbritannien ziehen seit Ende Mai  Menschen gegen Polizeigewalt, Rassismus und Menschenverachtung durch die Straßen und bleiben dabei überwiegend friedlich. Die ohnehin explosive Stimmung wird durch präsidiale Hetze noch heftiger und führt in einigen amerikanischen Städten zu teils zerstörerisch ausgelebter Wut. Wut gerichtet gegen Sachen wohlgemerkt, nicht gegen Menschen. Was den medialen Mainstream, in Deutschland etwa in Person von Jan Fleischhauer, nicht davon abhielt, allgemein von „marodierenden Banden“ zu sprechen.

Schon vor dem gewaltsamen Tod von George Floyd hatte es mindestens 18 (manche sprechen von 21) Beschwerden von Bürgern gegen Derek Chauvin, dem Haupttäter gegeben. Nur in einem Fall soll es zu einer schriftlichen Rüge gekommen sein. Wobei die Bedeutung einer solchen Rüge von farbigen Bürgerrechtlern als „gegen Null“ tendierend beschrieben wird. Dieselben Bürgerrechtler berichten von mindestens 4 Toten bei Polizeieinsätzen, an denen Chauvin beteiligt war. Eine juristische Überprüfung dieser Einsätze wurde von der zuständigen Staatsanwältin abgelehnt. Aus anderen Staaten der USA ist ähnliches zu berichten. Vermutlich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Demonstrationen wurden inzwischen alle beteiligten Polizisten festgenommen und angeklagt. Zuvor schon hatte der Bürgermeister von Minneapolis für deren Entlassung aus dem Polizeidienst gesorgt.

Natürlich haben die aktuellen Proteste in den USA noch andere, seit langem schwelende Ursachen. Die Arbeitslosigkeit unter Schwarzen ist doppelt so hoch wie bei Weißen. Armut ist in schwarzen Haushalten schon immer, in den letzten Jahren aber zunehmend, um ein vielfaches häufiger zu verzeichnen als in weißen Haushalten. In amerikanischen Gefängnissen sitzen weit überwiegend Schwarze ein. Jahrzehntelange rassistische Diskriminierung und soziale Benachteiligung von Schwarzen sind Teile des „American Way of Life“ und haben Spuren hinterlassen, zerstörerische Spuren. Dass diese nun in einen revolutionären Weg münden, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Zwar wird wohl kein Militär, wie von Trump angedroht, im Inland eingesetzt. Gleichzeitig deutet alles auf ein zunehmend brutaleres Zurückschlagen des Staates hin, da braucht es gar kein Militär. Die Proteste wird das wohl beenden, die Probleme aber werden zunehmen.

Und in Europa? In Deutschland? In Frankreich erinnern aktuell Protestierende an Adama Traor, einem jungen Mann, der 2016 in Polizeigewahrsam in Paris unter vergleichbaren Umständen ums Leben kam. Die beteiligten Polizisten sind bis heute nicht behelligt worden. Seit langem sind besonders in den Banlieues Menschen mit Migrationshintergrund teils extremer Polizeiwillkür und Polizeigewalt ausgesetzt. Zu befürchten haben die beteiligten Polizisten in der Regel nichts. Bezogen auf Deutschland erinnert Tahir Della, Sprecher der „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“, an den angeblich von der Polizei verwechselten und in Polizeigewahrsam zu Tode gekommenen Amad Ahmad oder an Oury Jalloh, der bereits 2005 ebenfalls in Polizeigewahrsam unter höchst dubiosen Umständen starb. Im Gegensatz zu den brutalen Geschehnissen um George Floyd gab es hier keine Videobeweise, die belegen könnten, was genau dort jeweils geschah. Auch Todesfälle bei Abschiebungen, übrigens auch ausgelöst durch mechanische Erstickung, hat es schon gegeben. Außer milden Bewährungsstrafen hatten die Beamten der Bundespolizei damals nichts zu befürchten. Übrigens: Nur 2 Prozent (!) der Strafverfahren gegen Polizisten landen überhaupt vor Gericht.

Tahir Dellas Forderung an die Politik in Deutschland können wir uns nur anschließen: „Aktuell kann man sich über die Polizei nur bei der Polizei beschweren. Das ergibt keinen Sinn. Wir brauchen eine unabhängige Struktur, die es möglich macht, bei Menschenrechtsverletzungen und rassistischen Vorfällen zu intervenieren und auch Sanktionen zu verhängen.“ Bekräftigt wird diese Forderung z.B. vom Kriminologen und Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes, der klarstellt, dass die Gefahr des lagebedingten Erstickungstodes der Polizei (auch in den USA d. Red.) seit langem bekannt sei. Polizisten würden längst auch entsprechend geschult.  Niemand dürfe , wenn überhaupt, länger als wenige Sekunden auf dem Bauch fixiert werden. Bei Zuwiderhandlungen oder entsprechenden Beschwerden brauche es endlich unabhängige Instanzen mit eigenen Ermittlungsbefugnissen.

Recht haben die beiden. Und all das wohlverstanden besonders auch im Interesse all der Polizistinnen und Polizisten, die einen ordentlichen Job machen wollen und dies auch tun.

 

 

Christiane Escher

Lothar Kowelek

6.6.2020