Haushaltsrede von Uschi Jacob-Reisinger für DIE LINKE im Kreistag Lippe
Kreis Lippe 2024 - Finanzkrise mit Ansage - Die Umverteilung von unten nach oben geht weiter!
2024 kann der Kreis Lippe seine Aufgaben nur mit immensen Einsparungen und unter größter Kraftanstrengung erfüllen und hofft, dass er sich damit den großen Herausforderungen erfolgreich stellen kann.
Seit langem gab es keine so angespannte Lage, das war aber auch schon im Jahr 2023 absehbar. Nicht umsonst wurde im September 2023 für 2023 eine Haushaltssperre verhängt.
Die Folgejahre ab 2024 werden ebenfalls zum Problem, da Städte, Gemeinden und Kreise auch weiter strukturell überfordert sein werden. Der Kreis hat die Möglichkeit, über eine Erhöhung der Kreisumlage einen Teil der Mehrbelastung auszugleichen. Die kreisangehörigen Kommunen, die unter der Mehrbelastung ächzen, müssen ihrerseits durch Erhöhung kommunaler Steuern und Gebühren sowie durch Kürzungen in allen Bereichen, auch im Sozialen, ein Abrutschen in die Haushaltssicherung abwenden. So wird die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen von oben nach unten durchgereicht.
Die unterschiedlichen Auffassungen konnten die lippischen Bürger intensiv in der Presse verfolgen. Bemerkenswerterweise hatten sich die Bürgermeister von 15 lippischen Kommunen, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, an den Landrat und den Kreistag gewandt, und darum gebeten, dass der Kreis „alles in seiner Macht Stehende“ unternehmen solle, „um zu verhindern, dass die lippischen Städte und Gemeinden reihenweise in die Haushaltssicherung geraten.“
Wir begrüßen in diesem Zusammenhang, dass der Kreis Lippe seine Ausgleichsrücklage in voller Höhe einsetzt, um die Kreisumlage möglichst gering zu halten.
Der Kreis und die Kommunen bleiben auf den steigenden Soziallasten, vor allem für behinderte Menschen, sitzen. Bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung hat sich beispielsweise seit 2013 der Betrag nicht erhöht. Seinerzeit war das noch ein Drittel des Gesamtaufkommens. Das Geld reicht vorne und hinten nicht mehr aus.
Dies gilt ebenso für die vom Land nicht vollständig ausgeglichenen, gestiegenen Kosten für immer mehr Geflüchtete. Die schwarz-grüne Regierung in NRW will jetzt eine „Bezahlkarte“ für Geflüchtete einführen. Die zuständige Ministerin behauptet allen Ernstes, das man damit Aufwendungen einsparen, Bürokratie abbauen und es den Menschen leichter machen will. Für uns ist das ein Diskriminierungsinstrument.
Wie Geflüchtete, von Armut Betroffene, Rentnerinnen und Rentner, Bürgergeld- und Grundleistungsbeziehende, Alleinerziehende und Aufstockende damit beispielsweise bei einer Tafel oder bei einem Flohmarkt bezahlen sollen, erschließt sich uns nicht. Damit werden wieder einmal, die, die gar nichts besitzen, gegen die, die auch nur wenig haben, ausgespielt. Nach dem Motto teile und herrsche. (LZ v. 18.3.24, Wohlfahrtsverbände gegen Bezahlkarte)
Dass gegenüber den Kommunen und Kreisen kein ordentliches Konnexitätsgebot geregelt ist, zeigt sich auch durch die deutlich erhöhten Kosten für den ÖPNV. Die Verluste durchs 49-Euro-Ticket und die damit einhergehenden Mindereinnahmen werden nicht vollständig ausgeglichen.
Die NRW-Landesregierung hat den Kommunen im Haushaltsrecht stattdessen mehr „Gestaltungsspielraum“ ermöglicht. Ein „Buchungstrick“, denn wenn künftig ein negatives Jahresergebnis in den darauffolgenden Jahren planerisch ausgeglichen werden kann, ist solch ein Schuldenaufkommen kein Grund mehr, in die Haushaltssicherung zu rutschen.
Die Isolierung der krisenbedingten Belastungen aus der COVID-19-Pandemie und dem Krieg gegen die Ukraine bei der Haushaltsplanaufstellung war eine ähnliche Maßnahme. 2024 darf diese nicht mehr angewendet werden und sie war bei Lichte betrachtet, auch so ein „Schattenhaushaltsposten“, der uns jetzt schon einholt.
Die Regeln für eine Pleite wurden von Seiten des Landes NRW verändert, sodass jetzt auch Haushalte genehmigungsfähig sind, die noch vor einem Jahr automatisch in die Haushaltssicherung geführt hätten. Die Probleme sind damit nur aufgeschoben. Zu einem späteren Zeitpunkt - schon 2025 - werden sie umso stärker sichtbar.
Die zukünftige Dauerverschuldung der Kommunen und Landkreise wird also billigend in Kauf genommen, nur damit die Schuldenbremsen in Land und Bund eingehalten werden können. Wichtige Infrastrukturmaßnahmen, wie eine auskömmliche Krankenhausfinanzierung werden ebenfalls auf die Kommunen bzw. die Freien oder kirchlichen Träger abgewälzt, immer schön nach dem Motto: „Den Letzten beißen die Hunde.“
Der Entwurf des Kreises Lippe sieht als eine Konsequenz aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz eine weitere Stützung des Klinikums von nochmals 20 Millionen Euro vor. Diese setzt sich aus einer Eigenkapitalerhöhung von 10 Millionen Euro und einer Erhöhung möglicher Liquiditätshilfen in Form von Ausleihungen – also Darlehen – von 5 auf 15 Millionen Euro zusammen. Wir haben grundsätzliche Fragen dazu, wie sich die finanzielle Situation des Klinikums aktuell darstellt, nicht zuletzt, weil wir der Auffassung sind, dass die lippischen Bürger:innen zu diesem Thema einen umfassenden Informationsanspruch haben.
Aber frisches, dringend benötigtes Geld gibt es keines!
Wir sagen: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen! Und wie in jedem Jahr fordern wir die Vertreter der hier im Kreistag vertretenen Parteien auf Landes- und Bundesebene auf, von Bund und Land langfristig tragfähige Lösungen und eine auskömmliche Finanzierung einzufordern!
Denn dort, auf Bundes- und Landesebene, werden die Vorgaben erstellt und dort macht man sich, was die Umsetzung und Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der dringend benötigten Infrastrukturinvestitionen angeht, einen „schlanken Fuß“!
Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat letzte Woche sein Jahrbuch 2024 herausgegeben und errechnet, wie viel zusätzliche Einnahmen moderate Steuerreformvorschläge bringen würden. So könnten allein mit einer 50-prozentigen Übergewinnsteuer für die größten und profitabelsten Konzerne und mit einer Vermögenssteuer, die nur Milliardenvermögen besteuert, laut Netzwerk Steuergerechtigkeit jeweils 20 Milliarden eingenommen werden.
Um es deutlich zu sagen: Auch wenn nach dem Vorschlag von SPD und GRÜNEN bei den Verbänden nicht gespart werden soll - die nicht angepassten Zuwendungen bei vielen Trägern, Institutionen und Verbänden kommen ebenfalls einer Kürzung gleich.
Von diesen werden aber wichtige Aufgaben für den Kreis Lippe erledigt, sodass der Wegfall oder die Ausdünnung dieser Leistungen hier durchaus ein Bumerang werden kann. Ich nenne hier beispielhaft die Ankündigung den „runden Tisch Inklusion“ aus Kostengründen wegfallen zu lassen.
Auch der Antrag des „Paritätischen“ aus 2023 war ein Hilferuf verschiedenster Organisationen und spricht hierzu eine klare Sprache. Wir fordern deshalb alle Kreistagsmitglieder auf, wenigstens dem Antrag auf Erhöhung der jährlichen Förderung für die Selbsthilfe-Kontaktstelle des Paritätischen im Kreis Lippe zuzustimmen. Die Kontaktstelle unterstützt vorrangig ehrenamtlich organisierte Gruppen bei Themen wie Sucht, chronische und psychische Krankheiten und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Hilfe durch Selbsthilfe.
Es gibt aber durchaus auch Spar- und Kürzungsansätze, die wir sehr zu würdigen wissen und ausdrücklich unterstützen:
- Wir begrüßen ausdrücklich die Einsparungsvorschläge bei der LTM, zumindest in Teilen eine von uns in jedem Jahr geforderte Maßnahme.
- Und Jahre nach unserem Antrag soll jetzt auch der Verzicht auf gedruckte Hochglanzbroschüren tatsächlich endlich umgesetzt werden - dazu kann man nur sagen „wird auch Zeit“!
In unsere Positivliste der Leistungen des Kreises Lippe, die wir ausdrücklich würdigen möchten, gehören diese zwei Projekte:
- 2023 beim European Energy Award hat Lippe als beste Kommune in Deutschland und viertbeste in Europa abgeschnitten. Seit Jahren ein Erfolgsmodell
- Beim STALAG 326 ist es lt. Presse v. 26.2.24 und Aussage von (Andrè Kuper, Landtagspräsident) jetzt möglich, dass eine abgespeckte Version tatsächlich umgesetzt wird. Dieser Erfolg kann nicht zuletzt durch die Co-Finanzierungsbereitschaft des Kreistags Lippe erst realisiert werden.
Die Linke erkennt die Bemühungen der Kreisverwaltung und der Landrats-Koalition durchaus an, Kürzungen im sozialen Bereich nach Kräften zu vermeiden. Allerdings bleibt für uns das Argument, dass auch die Erhöhung der Kreisumlage letztlich nichts weiter ist als ein Durchreichen von Kürzungen an das letzte und schwächste Glied in der Kette, die lippischen Kommunen.
Inwieweit folglich dort Kürzungen durchgesetzt werden, die auch die Ärmsten und Bedürftigsten der Gesellschaft überproportional treffen, dafür fühlt sich der Kreis dann nicht mehr verantwortlich und wäscht seine Hände in Unschuld. Jedenfalls sollte die nicht auskömmliche Finanzierung der viel beschworenen „kommunalen Familie“ nicht zu Gewalt in der Ehe führen und diese dauerhaft auseinanderbringen!
Wie so oft hilft es nur, wenn sich die Kleinen und Schwachen solidarisch zusammentun und gegen die Großen und Mächtigen aufbegehren. Der Streit, den wir lippischen Kinder zwischen Kreis und Kommunen während dieser Haushaltsberatungen erleben durften, verdient jedenfalls keine erneute Auflage. Die Empörung sollte sich ganz im Gegenteil und wie immer in solchen Auseinandersetzungen an die richtigen Adressaten wenden:
- Hören Sie endlich damit auf, Politiker für die Landtage und Bundestage aufzustellen, denen die Kommunalfinanzen egal sind!
- Machen Sie eine Wiederwahl davon abhängig, was die- oder derjenige für eine auskömmliche Daseinsvorsorge und für eine auskömmliche Kommunalfinanzierung getan hat!
- Verfassen Sie GEMEINSAM mit den lippischen Kommunen Protestadressen an alle, die es angeht: LWL, Land, Bund, aber auch Städte- und Gemeindebund, Landkreistag und Deutscher Städtetag.
- Und scheuen Sie sich nicht, GEMEINSAME Schritte vor die Verwaltungsgerichte zu prüfen und zu machen, wenn das so weitergeht!
Als Fazit aus alldem, was ich eben ausgeführt habe, lehnt Die Linke im Kreistag Lippe den Haushalt 2024 ab.