Stadtverband Detmold – Der Kommentar

1. Mai 2020 – Helden, Tod und Dumpinglohn

Es ist ja schon bemerkenswert: Waren bei der letzten offiziellen großen Krise, der Finanz- oder Bankenkrise, noch die Banken die systemrelevanten und somit unverzichtbaren Elemente, sind es nunmehr Kassiererinnen, Krankenschwestern und Paketboten. In ganz Europa applaudiert man ihnen von Balkonen und aus Fenstern ganzer Häuserblocks. Heldinnen und Helden sollen sie sein, denen man im Iran übrigens jetzt sogar eine Briefmarke gewidmet hat.

Den Status Held der Arbeit kannte man seinerzeit in der DDR. Die dabei verliehene Medaille sollte im Aufbau des Sozialismus wohl anspornend wirken. Von den Menschen ernst genommen wurde das Gedöns eher nicht. Die aktuellen deutschen Helden entspringen auch keiner Obrigkeits-Anordnung, sondern sind eher das Ergebnis gutmeinender Initiativen aus der Bevölkerung.

Gleichwohl reagieren so manche Helden müde bis abweisend auf diesen Zirkus. „Euren Applaus könnt ihr euch sonstwo hinstecken“, wird eine Krankenpflegerin aus Berlin zitiert, und verweist auf die durch Privatisierung und Marktöffnung unverschämten Arbeitsbedingungen sowie auf die schlechte Entlohnung. In der Tat erbringen all die vermeintlichen Heldinnen und Helden ihren wichtigen Dienst ja auch nicht selbstlos. Sie müssen arbeiten, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Den Wert ihrer Arbeit mindert das nicht im Geringsten.

In Bezahlung drückt sich dieser Wert aber nicht aus. So arbeiten sehr viele von ihnen im Bereich Niedriglohn, also einem Stundenlohn von unter 10,50 Euro. Und das keineswegs nur in Handel und Transport. Auch nachdem der Handel nach Zusicherung von Steuerfreiheit durch die Politik bereit ist, eine Sonderprämie von 500 Euro zu zahlen, bleibt die Gratifikation in der Gesamtschau ein Witz zum 1. Mai. Dies gilt auch für die höhere Prämie im Pflegebereich, wenn sie denn kommt. Hieran hat übrigens die Gewerkschaft Ver.di mitgewirkt. Lohnforderungen hat sie unseres Wissens nicht gestellt.

Aber es kommt noch schlimmer! Denn der Spargel muss raus, und der ist offensichtlich noch systemrelevanter als alles zuvor schon entsprechend Eingeordnetes. Geschlossene Grenzen? Kein Problem! War die Einreise aus osteuropäischen Ländern wegen der Corona-Pandemie eben noch unmöglich, ist sie für das moderne Lumpenproletariat seit kurzem geöffnet. Mit Sonderflügen (bei Eurowings 30 Kilo Freigepäck) sind die sogenannten Erntehelfer unter Missachtung von Hygiene und Sicherheitsabstand an die Spargelfelder geschafft worden und oft in Massenunterkünften untergebracht. Einen ersten Toten hat es bereits in Bad Krozingen gegeben. Weitere Arbeiter sollen positiv auf das Corona-Virus getestet worden sein.

Und das Ganze zu Dumpinglöhnen, die noch unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, da meist Kosten für Unterkunft und Verpflegung einbehalten werden. Hauptsache, der Spargel ist billig. Auch das ist der Tag der Arbeit in 2020!

Christiane Escher

Lothar Kowelek

26.4.2020