Stadtverband Detmold – Der Kommentar Darf’s links ein bisschen mehr sein?

Darf’s links ein bisschen mehr sein?

Also, wer vom Parteitag der SPD am letzten Wochenende nicht allzu viel erwartet hatte, dürfte nicht wirklich enttäuscht gewesen sein. Was ist denn auch schon passiert?

Das neue Führungs-Duo wurde wie erwartet gewählt. Wofür die beiden wirklich stehen, wird der politische Alltag der näheren Zukunft zeigen. Immerhin sind beide keine typischen Agenda-Vertreter wie Scholz und Konsorten. Halblinks geblinkt haben vor ihnen aber auch schon andere – ohne die neoliberale Fahrtrichtung wirklich zu ändern. Allemal aber haben die beiden eine Chance verdient, zu belegen, dass ihr sozialdemokratisch wirkendes Auftreten nicht bloß taktischer Natur ist. Ihre wirtschaftlichen Verflechtungen sind immerhin überschaubar – ungewöhnlich für Sozialdemokraten des 21. Jahrhunderts.

Ansonsten bleibt man doch sehr „realpolitisch“. Dass tatsächlich ein Ausstieg aus der GroKo erfolgen würde, hatten eh nur die wenigsten vermutet. Auch der kühne Kevin hatte kein Problem mit seinem GroKo-Schwenk. Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Genau!

Auch ansonsten scheint der „Aufbruch in die neue Zeit“ wenig reflektiert. So will man wieder einmal Hartz IV überwinden und hinter sich lassen. Eigentlich ist es ja kaum zu glauben, dass die Partei, die für Demütigung und Unterdrückung in Job-Centern seit nunmehr 15 Jahren verantwortlich ist, glaubt, die damit einhergehende Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas einfach so hinter sich lassen zu können. Hier werden die unzähligen Opfer dieser Politik ein weiteres Mal ihrer Würde beraubt. Sollen die bitteschön auch alles einfach so hinter sich lassen? War doch auch garnicht so schlimm? Und gemeint war’s ja sowieso ganz anders? Ein angemesseneres „Genossen, wir haben Scheiße gebaut“, ist wohl zu viel verlangt.

Und dass man Hartz IV jetzt umtauft in ein „Bürgergeld“, heißt auch nicht wirklich viel. Deutlich wurde das an dem Geschwurbel, das man auf dem Parteitag um die Sanktionen machte. Unter dem Strich werden Sanktionen bleiben. Perspektivisch sollen sie aber ausgeschlossen sein, allerdings sollen gleichzeitig Mitwirkungspflichten verbindlich bleiben. Was dieser Sozen-Sprech bedeutet, soll doch der Politik-Leistungskurs des Grabbe-Gymnasiums herausfinden.

Anderes wie “perspektivischer“ Mindestlohn 12 Euro, Investitionsprogramm, verbessertes Klimapaket und mehr soll in die bald stattfindenden Gespräche mit der Union fließen. Was daraus wird, wenn die CDU diese Ansinnen ablehnt, weiß wohl niemand. Es sei ja nicht bestritten, dass einige Beschlüsse des Parteitages, wie z.B. die Bürgerversicherung Pflege eher linke Richtungsanzeigen sind. Aber ohne konsequente Umverteilungspolitik ist das, mal ganz abgesehen von den Zwängen der GroKo, wohl nicht finanzierbar. Und hier ist eine eher moderat angesetzte Idee der Vermögenssteuer denn doch zu wenig. Besonders hier darf’s ein bisschen mehr sein.

Übrigens wurde ein Bekenntnis zur einstigen Entspannungspolitik Willy Brandts – wie dreist ist das denn - verbunden mit einem Lob des „besonnenen Politikers“ Heiko Maas. Das ist der, der die deutsch-russischen Beziehungen in eine neue Eiszeit zu führen gedenkt und sich zudem beharrlich weigert, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. Dieses Lob kam übrigens vom neuen Vorsitzenden Walter-Borjans. Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘ . . .

 

Christiane Escher

Lothar Kowelek

9.12.2019