Stadtverband Detmold – Der Kommentar Die im Dunkeln sieht man nicht.

Kürzlich wurde der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für ein neues Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz im Bundesrat durchgewunken. Die darin enthaltenen neuen Regelbedarfe für Bezieher von Grundsicherungsleistungen werden deren materielle Situation nicht verbessern. Im Ergebnis muss das Ganze als Fortsetzung einer politisch gewollten Disziplinierung bestimmter Bevölkerungsteile eingeordnet werden. Mit der Bekämpfung von Armut hat es jedenfalls nichts zu tun.

Der volle Regelsatz wurde um 14 Euro auf 446 Euro in 2021 angehoben. Die Steigerungen der Sätze von Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft liegen zwischen 1 (!) und 45 Euro. Praktisch kann das  Gerechne z.B. bedeuten, dass eine alleinerziehende Mutter mit einem 10jährigen Kind lediglich 15 Euro mehr erhält als 2020. Unter Corona-Bedingungen wohlgemerkt.

Bereits vor den Pandemiezeiten waren Menschen mit Grundsicherungsbezug besonders benachteiligt z.B. durch irrsinnige Angemessenheitsprüfungen durch die Jobcenter beim vorhandenen Wohnraum oder im Regelsatz enthaltenen Energieanteilen, die den realen Kosten Hohn sprachen und vieles mehr. Jetzt, in Corona-Zeiten, mehren sich die Benachteiligungen um ein Vielfaches. Die Almoseneinrichtungen der Tafeln haben ihre Dienste weitestgehend eingestellt. Der häusliche Energieverbrauch steigt bei geschlossenen Kitas und in Quarantäne befindlichen Schulklassen. Einen Ausgleich dafür gibt es nicht. Kostenloses Schul- und Kitaessen entfällt bei Schließungen auch ohne jeglichen Ausgleich. Ebenso wenig wird Mehraufwand für einen höheren Bedarf an Hygiene- und Desinfektionsmitteln berücksichtigt. Und so weiter und so fort. Jede noch so kleine Verschlechterung fällt in Haushalten, die günstigstenfalls von der Hand in den Mund leben, wesentlich übler aus, als in Haushalten mit kleinen oder gar größeren Rücklagemöglichkeiten.

Die Zahlung von 300 Euro Corona-Kinderbonus aus dem Herbst dieses Jahres pro Kind war der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Zwar wurde dieser Bonus nicht auf den Regelsatz angerechnet, gleichzeitig war das aber auch eine einmalige Abfindung. Leistungsbezieher ohne Kinder erhielten bis heute nicht einmal das. Der Antrag der Linksfraktion im Deutschen Bundestag auf  eine Erhöhung des Regelsatzes auf 658 Euro bei vollem Satz fand erwartungsgemäß keine Mehrheit.

Mehrheiten gab es, wenn der Fluss von Geldern in andere Richtungen gelenkt wurde. Und da durfte es ruhig um gigantische Summen gehen. Die Freigiebigkeit, mit der der deutsche Staat in den letzten Monaten Gelder an große Konzerne ausgeschüttet hat, lässt den Schluss zu, dass hier systemrelevante Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft durch unermüdliche Lobbyarbeit erfolgreich geschaffen werden konnten.

So erhielt die Lufthansa satte 9 Milliarden Euro praktisch ohne Auflagen. Und das bei einem Geschäftsmodell mit begrenzten Zukunftsaussichten. Die Lufthansa sieht das wohl selbst so, denn nach Geldzusage wurden mal eben Tausende Entlassungen angekündigt. Immerhin wurde „Bremsenmilliardär“ Heinz Hermann Thiele und dessen Investition in die Lufthansa gerettet. Herrn Thiele gehört die Lufthansa nämlich zu mindestens 12 Prozent. Dieser Herr musste sein Vermögen nicht einsetzen, um die Lufthansa vor was auch immer zu retten. Dass die Lufthansa zudem ein längst bekannter Steuertrickser ist, sie parkt Gewinne gern in Schattenfinanzzentren, scheint der Liebe auch nicht im Wege zu stehen.

Ein anderes Beispiel, dass es auf eine Milliarde mehr oder weniger in vermeintlich systemrelevanten Bereichen nicht ankommt, ist der Reisekonzern TUI. Hier hält der Bund 4,3 Milliarden Euro bereit, um den Konzern zu retten. Auch TUI ist bekannt für Steuertrickserei. So fahren seine Kreuzfahrtschiffe z.B. unter maltesischer Flagge. Gerettet wird aber der russische Oligarch Herr Mordaschow , dem die TUI zu 25 Prozent gehört. Kürzlich hat jemand ausgerechnet, dass die Rettungssumme bei ca. 10.000 Beschäftigten der TUI umgerechnet jedem dieser Köpfe 430.000 Euro zugestehen würde. Sehen werden die Beschäftigten davon allerdings nichts, Herr Mordaschow schon.

 

Christiane Escher

Lothar Kowelek

7.12.2020