Haushaltsrede 2014 von Berndt Wobig, Kreistagsmitglied DIE LINKE. Lippe

Berndt Wobig, Kreistagsmitglied DIE LINKE.

Herr Landrat, meine Damen und Herren,

 

Der Kreistag Lippe wird heute wahrscheinlich den Haushalt verabschieden.

 

Die Gesamtverschuldung des Kreises Lippe hat sich weiter erhöht und weit und breit ist kein Ausweg aus dieser Verschuldung abzusehen.

 

Der Kreis verbraucht weiterhin seine Ausgleichsrücklage. Von den ehemals ca. 50 Mio. € ist nun fast nichts mehr übrig.

 


Sie wissen ebenso wie wir,

- dass das Problem der Haushaltslage des Kreises und der Kommunen nicht hausgemacht, sondern die Folge jahrelanger falscher Landes- und Bundespolitik ist;

- dass, statt immer neuer Einsparungen, die Einnahmeseite gestärkt werden muss.

Über Vorschläge zur Behebung der strukturellen Haushaltsdefizite ist mit der letzten Bundestagswahl abgestimmt worden und bisher ist nicht absehbar, dass sich irgendetwas ändern wird.

Aber wir sind hier in Lippe und haben uns mit den Vorgaben abzufinden, die letztlich durch das Ergebnis der Bundestagswahlen bestimmt werden.

Allzu gern bezeichnet der Landrat als Verwaltungschef des Kreises Lippe die Kreisverwaltung mit ihren Dienstleistungs- und Eigenbetrieben als ein leistungsorientiertes, mit modernen Lean- Managementmethoden geführtes Industrieunternehmen und nennt es Konzern Kreis Lippe.

Das ist an sich nicht unbedingt negativ, aber zu bedenken ist auch:

Es waren vorwiegend japanische Produktions- und Personalführungsinstrumente, die in den 80er und 90er Jahren der deutschen Wirtschaft „Made in Germany“ zu neuem Schwung verhelfen sollten und heute auch in der kommunalen Verwaltung (s. Lippe) vermehrt Einzug halten.

Ein herausragendes Merkmal dieses Paradigmenwechsels in der Wirtschaft war mit einem neuen Begriff verbunden:

Die Japaner prägten einen speziellen Begriff, nämlich das japanische Wort. "Muda". englisch: [… any human activity that absorbs resources but creates no value.]“

Es beschreibt eine sinnlose Tätigkeit, und steht für sinnlose Verschwendung einer jeden menschlichen Aktivität, die Ressourcen verbraucht, aber keinen Wert erzeugt. Es ergänzt den bei uns gebräuchlichen Begriff „Wasserkopf“, der für eine ausufernde Bürokratie steht.

Auf lippisch ist damit also einfach nur Murks gemeint.

Nun, meine Damen und Herren: Warum schicke ich diese Erklärung voraus?

Im diesjährigen Haushaltsplan stecken gleich zwei solcher Verschwendungen (Murks), die wir entschieden ablehnen.

Zunächst die Kosten der LTM:         

Der Zuschuss für die Lippe Tourismus Marketing erfährt Jahr für Jahr eine Erhöhung ihrer Mittel. Die LTM bleibt jedoch nach wie vor den Nachweis über ihre Erfolge und Wirksamkeit schuldig. Wir stellen fest, dass der Overhead immer größer wird, und dass der Nutzen äußerst fragwürdig ist.

Soweit uns bekannt ist, stagniert die Zahl der durch Tourismus entstandenen Arbeitsplätze oder ist sogar rückläufig.

Und zweitens erschließt sich uns der Sinn einer Marketingkampagne für den Bevölkerungsschutz nicht, der mit dem Fehlen geeigneten Nachwuchses begründet wird. Nicht, dass wir etwa missverstanden werden:

Gegen eine Werbeaktion für Nachwuchs haben wir nichts einzuwenden, aber wir halten beispielsweise die jährliche Herausgabe eines teuren Jahrbuches mit eher bescheidenem Informationsgehalt für überflüssig.

Zum Zweiten das Kompetenzzentrum Wandern:

Eine weitere Tourismusattraktion soll ja wohl das Kompetenzzentrum Wandern werden. Im Haushalt hat sich der Bedarf von ursprünglich 436.000 auf nunmehr 2.034.000 Mio. € erhöht. Wie wollen sie eigentlich den Menschen in Lügde, Schlangen, Extertal und Kalletal den Nutzen verkaufen, der durch diese Summe und ihrem Beitrag durch die Kreisumlage zur Finanzierung eines solchen Zentrums in Detmold entsteht?

Die Stellungnahmen des Teutoburger-Wald-Vereins und seiner Wanderwartin sowie der Fachstelle Wandern im lippischen Heimatbund sprechen für sich. – Sie, Herr Heuwinkel, und alle Fraktionen haben diese Stellungnahme der Fachverbände erhalten. Darin wird die Sinnhaftigkeit der Errichtung des Gebäudes bestritten, und es werden darüber hinaus sehr kompetente Vorschläge zur Verbesserung der Infrastruktur für Wanderer gemacht. Ferner wird das Nebeneinander von Tourismusförderung und Wandervereinen beklagt.

Nicht nur die Wandervereine, sondern auch Lipperinnen und Lipper beklagen die Errichtung des Kompetenzzentrums. Ich möchte aus einem Leserbrief vom Wochenende in der LZ zitieren:

Herr Siekmann fragt: „Ist es Größenwahn?“ Ich zitiere wörtlich:

„Das Wanderkompenzzentrum (WKZ) kommt zum Hermann - basta! Nun scheint sich Herr Heuwinkel seinen Wunsch zu erfüllen, das Wanderkompetenzzentrum im leer stehenden Gebäude am Hermann unterzubringen. Dies Gebäude soll wohl, koste es was es wolle, wieder mit Leben erfüllt werden. Dies war wohl von Anfang an die Idee.

Gegenstimmen, bessere Standorte oder die Einsicht bei vielen, so was benötige man nicht, wurden beiseite gewischt.“

Später dann führt er aus:

„Nun zum Wanderkreuz in der Inselwiese: Hier kreuzen keine Wanderwege. Und dieses Wanderkreuzgebilde - wie immer es aussehen wird - soll mit Stegen usw. 500 000 Euro kosten! Bei mir macht sich Unbehagen breit. Ist das Größenwahn?“

Zitat Ende.

Mir kommen plötzlich Vergleiche in den Sinn, wie z. B. der Flughafen Berlin Brandenburg, Stuttgart 21 und die Elbphilharmonie. Wie komme ich nur darauf?

Zum Thema Senne:  

Nach dem Abzug der Briten wollen Touristen und Einheimische in der Senne wandern und sich erholen. Hierzu benötigen sie keinen Schutz durch das Militär. Wir sind gegen eine weitere militärische Nutzung der Senne.

Fair Trade:

Allerdings haben wir einen ganz anderen Vorschlag zur Förderung des Tourismus im Kreis Lippe: Wir wäre es denn, wenn der Kreis Lippe sich ausdrücklich die ökologischen und sozialen Kriterien des Fair Trade zu eigen machen würde? Dies könnte, begleitet von entsprechender regionaler Vermarktung und Werbung dafür, ein willkommener Brückenschlag zwischen der Naturregion, dem Tourismus und der Gesundheitsregion Lippe sein. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Einrichtung des Arbeitskreises „Fair Trade Kreis Lippe“.

Jobcenter:

Ich möchte nun einige Worte zum Jobcenter sagen. Nicht nur wir waren von Anfang an gegen die Optionskommune. Alle unsere Befürchtungen hinsichtlich der Übernahme dieser Aufgaben haben sich haben sich bestätigt; ja, sie wurden noch weit übertroffen.

Herr Landrat, wir beglückwünschen Sie zum Gewinn der zweiten roten Laterne des Kreises.

Auch die Absetzung von Herrn Rosentreter wird die Situation nicht grundlegend ändern. Die Probleme sind nicht an Personen festzumachen, sondern sind u.E. in den Strukturen zu suchen. Eine Qualitätserhebung der Eingliederungsmaßnahmen hinsichtlich des Personals, der Inhalte und der Kosten sollte erfolgen. Anschließend könnte eine Bilanz von Maßnahmen und Erfolg eröffnet und positive Standards weiterentwickelt werden.

Rein quantitative Zielvorgaben, wie die Reduzierung der Bedarfsgemeinschaften, sind ja bereits vor der Verabschiedung des Haushaltes überholt und für meine Begriffe reine Luftschlösser.

Herr Landrat, nehmen Sie unsere Forderung auf nach einem öffentlichen runden Tische zum Thema Jobcenter auf, an dem ohne Scheuklappen die Zukunft des Jobcenters mit allen Beteiligten und Betroffenen diskutiert werden kann.

Die Kreissenioreneinrichtungen und der Seniorenbeirat

Ebenso wie das Jobcenter sind auch die Krankenhäuser und die Seniorenheime noch lange nicht im grünen Bereich. Privatisierungen scheinen sich doch nicht in dem Umfang zu rechnen, den Sie angestrebt hatten. Immer sind die Beschäftigten und die Betroffenen die Leidtragenden. Ausgaben für die Pflege von Kranken darf man nicht über die Ausgliederung von tarifvertraglich Beschäftigten in den Tarif der BAU für Reinigungskräfte reduzieren. Alte und kranke Menschen nehmen die Leistungen in den Seniorenheimen in Anspruch und bezahlen dafür. Entsprechend wollen sie respektiert werden. Seniorenbeiräte haben Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, die einzuhalten sind. Wir alle werden älter und möchten auch im Alter von der Geschäftsführung und vom Landrat respektvoll behandelt werden.

Bildung, Kinder:

Alle Maßnahmen, die für Eltern ganz pauschal höhere Kosten verursachen, und so dazu beitragen, dass Kinder zu einem finanziellen Risiko werden, sind unserer Meinung nach mit den Programmen der im Kreistag vertretenen Parteien nicht kompatibel. Hierzu gehören im Haushaltsentwurf für 2014 die Steigerung der Übernachtungskosten in den Inselquartieren, Elternbeiträge zur Schülerbeförderung, die Erhöhung der Essensbeiträge und Überlegungen zur Beteiligung der Vereine an den Energiekosten für die Sporthallen.

Wenn ich mir diese Bestrebungen anschaue, möchte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, einfach einmal fragen:

Was haben Sie eigentlich gegen Kinder? Wenn Sie wollen, dass Familien sich für Kinder entscheiden, dann sollten Sie die Kosten für Kinder senken und nicht erhöhen.

Demgegenüber stunden wir dem TBV nach wie vor und schon seit längerem die Kosten für die Lipperlandhalle.

Statt dessen sollten wir endlich Geld in die Hand nehmen, um die Inklusion im erforderlichen Umfang und als Querschnittsaufgabe über alle Bereiche zu fördern.

Wir bedauern ausdrücklich die Streichung der Landesmittel, mit denen bisher die Schulsozialarbeit finanziert wurde. Wir erkennen die Bemühungen des Kreises zur Unterstützung der Gemeinden an.

Kinder mit Schulproblemen müssen wir auch in Zukunft mit allen erforderlichen Mitteln fördern. Nur so erhalten sie die Chance, in vollem Umfang am gesellschaftlichen und kulturellen Leben Teil zu nehmen.

Man kann an dem vorliegenden Entwurf nicht erkennen, dass alle Fachbereiche für diese Aufgabe brennen.

Vor allem vor dem Hintergrund der fehlenden Zukunftsperspektive des vorliegenden Haushaltansatzes sehen wir uns nicht in der Lage, diesem Haushalt zuzustimmen.