Haushaltsrede 2015 von Berndt Wobig

Berndt Wobig, DIE LINKE. Lippe

Herr Landrat, meine Damen und Herren,

im Haushalt 2015 drückt sich die Politik die Politik im Kreis Lippe aus. Sie ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Maßnahmen, die uns nicht gefallen.

Uns gefallen weder die Ausgliederung von Aufgaben der Daseinsvorsorge noch die Ausgliederung von kreiseigenen Betrieben wie Krankenhäuser, Kreissenioreneinrichtungen, Müllabfuhr, Straßen etc.

Am Beispiel der kreiseigenen Krankenhäuser in die Klinikum Lippe GmbH, die Kreissenioreneinrichtungen in die GmbH und die Gründung der Gesundheitsholding möchte ich auf Probleme durch die Ausgliederung hinweisen.

Diese Auslagerungen und Neugründungen wurden mit dem Ziel realisiert, die Kliniken und die Senioreneinrichtungen zu erhalten, sie wirtschaftlich zu machen; auf jeden Fall die Verluste für den Kreis zu reduzieren. Sie alle kennen das Urteil des Landesverfassungsgerichtes, nach dem die Zahlungen der Kreise an ihre Krankenhäuser zulässig sind.

Entgegen vielfach geäußerten Vermutungen haben auch wir, DIE LINKE, nichts gegen wirtschaftlich gesunde Kreiskrankenhäuser.

Diese Ausgliederungen stoßen nicht nur auf unsere Kritik. Insbesondere im Hinblick auf die demokratische Mitwirkung des Kreistages gibt es vielfach Zweifel. Der Hinweis, die Besetzung der Aufsichtsräte und Gesellschafterversammlungen durch den Kreistag sei ja demokratisch, ist rein formal richtig.

Aber! Es macht einen Riesenunterschied, ob wir im Kreistag Entscheidungen treffen, oder ob wir im Aufsichtsrat oder der Gesellschafterversammlung mitbestimmen. Für die Aufsichtsräte oder die Gesellschafterversammlungen der Unternehmen haben die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund zu stehen. Denn per Gesetz ist ein Aufsichtsrat verpflichtet, die Interessen des Unternehmens zu vertreten. Gegenüber dem Kreistag und der Öffentlichkeit haben Aufsichtsratsmitglieder Schweigepflicht.

Wir Kreistagsmitglieder sind damit in einem Interessenskonflikt. Wir sind gleichzeitig Volksvertreter und Unternehmer. Wir würden vielleicht gerne unsere Fraktionskollegen oder die Öffentlichkeit über die Angelegenheiten des ausgegliederten Unternehmens informieren, dürfen es aber nicht.

Gemeinwohlinteressen können so das Nachsehen haben. Die Bereitstellung von Daseinsvorsorge für kranke Menschen gerät vielfach in den Hintergrund. Privatbetriebe, ob im Besitz des Kreises oder in privater Hand, sind von der Politik, also von den demokratisch legitimierten Vertretungen nicht in gleicher Weise steuerbar wie Eigenbetriebe. Die Rechtsform eines ausgegliederten Unternehmens ist bei diesen Überlegungen von untergeordneter Bedeutung und nicht so gravierend, wie viele meinen.

Es gibt schlicht kein Modell, das dem Kreistag nachhaltig Einfluss auf das Geschäft eines ausgegliederten Unternehmens sichert.

Das liegt an den unterschiedlichen Interessen: Eine Kommune ist dem Gemeinwohl verpflichtet, ein Unternehmen muss die Gesetze des Marktes beachten. Der Markt ist aber nicht kompatibel mit dem Gemeinwohl. Das ist vielleicht einer der wesentlichen Unterschiede der politischen Einschätzung zwischen uns und Ihnen Herr Schieck und ihrer Partei. Im Markt muss jeder Teilnehmer konkurrenzfähig sein. Das Ziel der Unternehmen ist aber nicht das Gemeinwohl, sondern mindestens die Null, besser noch ein Gewinn. Der Fortbestand des Unternehmens ist nur dann gesichert, wenn das Unternehmen alle marktüblichen Maßnahmen trifft.

Zu Maßnahmen, über die wir nicht öffentlich sprechen dürfen, gehören dann eben die Auslagerung von Reinigungsarbeiten in Billiglohnbetriebe, die sich ein öffentlicher Betrieb nicht leisten dürfte. Häufig verfolgen Privatisierungen sogar einzig und allein den Zweck, sich aus der Bindung an den Tarif des öffentlichen Dienstes zu verabschieden.

Die Folgen sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse mit den bekannten Folgen für die Gemeinschaft. Oft reicht der Lohn trotz 40-Stundenwoche nicht aus. Die Gesellschaft übernimmt dann die Zahlung des Ausgleichs zwischen den Niedriglöhnen und der gesetzlichen festgelegten Grundsicherung. Wir tragen also dazu bei, dass Menschen trotz Vollzeitbeschäftigung von den Einkünften aus ihrer Arbeit nicht leben können. Welchen Sinn soll es haben, wenn wir bei den Betrieben der GmbHs schwarze Zahlen schreiben, aber die Ausgleichzahlungen für die Aufstockerinnen und Aufstocker wiederum aus den öfentlichen Haushalten bestreiten.

Ein unrühmliches Highlight war im letzten Jahr der Skandal um A L D und die Bezahlung von Fachkräften der Krankenversorgung im Tarif der Logistikbranche. Sie erinnern sich noch an die überregionale Berichterstattung mit dem entsprechenden Immage des Kreises Lippe. Wir nennen das Tarifflucht!

Arbeitsverdichtungen, Stress und Überstunden sind mittlerweile Teil der Kalkulation im Bereich der Klinikum Lippe GmbH. Die positive Entwicklung der Zahlen wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Das Betriebsklima ist entsprechend. Für Betriebsklima und Unternehmenskultur trägt die Leitung unserer Betriebe die Verantwortung. Wir wünschen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Patientinnen und Patienten, dass das Betriebsklima und die Unternehmenskultur in Zukunft sehr viel mehr von Dialog und Transparenz geprägt sind.

Ich fasse kurz zusammen:

Wir bezeichnen die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge als gewollte kommunale Selbstentmachtung und Entdemokratisierung.

Privatisierungen orientieren sich nicht an der nachhaltigen Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge sondern nur an der Lösung finanzieller Probleme.

Uns ist genauso wie Ihnen klar, dass wir hier die schon seit Jahren dauernde Unterfinanzierung nicht beheben können. Gefragt sind hier eindeutig Bundes- und Landespolitik, die dafür Sorge zu tragen haben, dass Städte und Gemeinden mit stabilen Steuereinnahmen ausgestattet werden.

Wir sind skeptisch, dass dies – trotz anderslautender Behauptungen - in naher Zukunft geschehen wird. Was wir aber auch wissen: Trotz dieser eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten könnte soziale und transparente Kommunalpolitik gestaltet werden. Dazu sind wir bereit.

Wir sind sicher, dass die mit den Privatisierungen angepeilten Lösungen auf lange Sicht unterm Strich deutlich teurer kommen. Aber wir haben den Eindruck, dass das keine Rolle spielt. Wissentlich und willentlich werden soziale Probleme in Kauf genommen.

Auf „Arm trotz Arbeit“ folgt Altersarmut!

Nachfolgende Generationen werden viel Geld dafür ausgeben müssen, um die sozialen Auswirkungen dieser Probleme zu beseitigen.

Demgegenüber leisten wir uns einigen Luxus. Die Lippe-Tourismus-Marketing ist ein solcher Luxus. Egal ob als AG oder als GmbH leisten wir sie uns mit einem Betrag von jährlich 450.000€. Ein Nachweis der Wirksamkeit ist bisher nicht erfolgt und ist bekanntermaßen auch schwierig. Seit März 2011 fordert unser Mitglied im Wirtschaftsausschuss, Rudolf Krome Zielvereinbarungen mit nachprüfbaren, quantifizierbaren Messgrößen bzw. Kennziffern. Wir fordern dies weiterhin.

Die Zahl von 550 Mio. € Wertschöpfung im Jahr, die Sie Herr Landrat  immer wieder als Erfolg der LTM präsentieren ruft bei vielen Fachleuten, auch in Ihrem Hause, nur ein müdes Lächeln hervor. Wenn man Ihnen folgt, würden ohne die LTM-Aktivitäten die Zahl der Tagesgäste und Übernachtungen, sowie die Lebensmitteleinkäufe und Restaurantbesuche drastisch zurückgehen. Merkwürdig nur, dass Bad Salzuflen, mit den größten Steigerungen bei den Übernachtungen, gar nicht an der LTM beteiligt ist. Genauso wie Sie die Erfolge der LTM zuschreiben, könnte man vermuten, dass dieser Erfolg ja gerade auf die Nichtbeteiligung zurückzuführen ist.

Die Finanzierung der LTM befindet sich schon seit einiger Zeit nahezu ausschließlich in der Hand des Kreises und der Städte, allerdings ohne Bad Salzuflen. Die Zahlungen der privaten Wirtschaft sind verschwindend gering. Offensichtlich versprechen sich private Unternehmen der Tourismuswirtschaft in Lippe keinen entsprechenden Erfolg aus diesem Engagement.

Nehmen wir noch einmal die 550 Mio. € Wertschöpfung durch den Tourismus als Grundlage für folgende Rechnung: Würde die lippische Tourismuswirtschaft nur 1 0/00, das ist 1 Ct. pro 10 € Wertschöpfung in die Kasse der LTM zahlen, dann hätte das eine Beteiligung von 550.000 € zur Folge. Das sind 100000€ mehr als jetzt der Kreis zahlt.

Da das offensichtlich nicht zu erwarten ist hat hat der Kreis bis zum Jahre 2017 jährlich 450.000 € weniger in der Kasse.

Das Wanderkompetenzzentrum ist ein wesentlicher Teil der LTM-Aktivitäten. Zum Glück wird es dieses Wanderkompetenzzentrum geben denn wir sind es leid, die vielen hilflos und kompetenzlos umherirrenden Wanderer weiterhin zu ertragen. Dass wir damit nur schlecht versteckt den Landesverband subventionieren, werden wir angesichts der Riesenvorteile ertragen.

Die 120.000 € pro Jahr für die Werbung auf den Raststätten Lipperland sind für die nächsten 20 Jahre sicherlich sinnvoll ausgegebenes Geld. Dafür werden massenhaft Fernfahrer und Fernfahrerinnen nach Lippe abbiegen, und hier den Tourismus entscheidend voranbringen.

75.000 € pro Jahr für die IML. Den Sperrvermerk werden wir sicherlich mit einem Projekt für die LTM noch weg bekommen.

450.000 € LTM bis 2017, 120.000 € Werbung bis 2025 und 75000€ IML. Sind zusammen 745000€. Diese 745000€ sind für die Laufzeit der Verträge dem Königsrecht des Kreistages, dem Budgetrecht entzogen. So beraubt sich der Kreistag Lippe der Möglichkeiten, auf kurzfristig auftretende veränderte Haushaltlagen und Notsituationen zu reagieren. Die demokratisch vom Volk gewählten Kreistagsmitglieder sind kaum noch in der Lage, langfristig eigene, dem Gemeinwohl verpflichtete politische Akzente zu setzen- das ist für uns ein weiteres Beispiel für Entdemokratisierung.

Ich habe noch die Worte von den Chancen der Optionskommune im Ohr. Die Versprechen, passgenaue, d.h. genau auf die Bedingungen im Kreis Lippe bezogene Maßnahmen zu entwickeln, sind bisher nicht erfüllt worden. Alle unsere Befürchtungen sind eingetreten und wir sind weiterhin skeptisch. Wir erwarten von der neuen Leitung des Jobcenters, dass hier schnellstens Änderungen zur Verbesserung der Situation herbeigeführt werden Das sind wir den betroffenen erwerbslosen Menschen schuldig. Wir werden die Veränderungen im Auge behalten und bei weiteren Mängeln unsere Stimme erneut erheben.

Alle genannten Beispiele bekommen vor dem Hintergrund der prekären Haushaltslage der lippischen Städte und Kommunen und der aufgezehrten Ausgleichsrücklage des Kreises eine besondere Dramatik. Man macht so weiter wie bisher, obwohl in den Sternen steht, wie die Haushalte der nächsten Jahre finanziert werden können.

Für Vorschläge zum Sparen geben wir uns nicht her. Wir prangern die Politik der Auslagerung und Privatisierung an. Die unseres Erachtens damit einhergehende Entdemokratisierung der Kreispolitik lässt sich an der wachsenden Politikverdrossenheit der Wählerinnen und Wähler ablesen. So ist die Wahlbeteiligung von eh schon mageren 55,8 % auf mittlerweile nur noch 52,6 % gefallen.

Wir stimmen unter Hinweis auf die dargestellten Missstände gegen den Haushalt.