DIE LINKE im Kreistag Lippe: Rede zum Haushalt 2023 - Krise+ Krieg+ Klima+ Katastrophen+ Klinik+ Konnexität+ Kosten+ Kredit+ Kreisumlage

DIE LINKE. im Kreistag Lippe
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Diese Oberbegriffe prägen den Kreishaushalt 2023.

Für fast alle oben genannten Problemstellungen gibt es keine alleinige Lösung auf Kreisebene. Und jedes Problem für sich ist schwierig genug.

Krieg

Der Ukraine-Krieg stellt die Integrationsfähigkeit der lippischen Kommunen und des Kreises vor immer größere Herausforderungen. Auch im ländlichen Kreis Lippe gibt es immer mehr Wohnungsnot, weil die Bedarfe bald noch nicht einmal mehr in denjenigen Städten, die noch über brachliegende BIMA-Immobilien verfügen, gedeckt werden können. Doch nicht nur die Versorgung mit angemessenem Wohnraum steht an, es müssen Kapazitäten in Kitas und Schulen bereitgestellt werden, und das geschieht vorwiegend in den Kommunen.

Die Jobcenter und die Betriebe sind gefordert, für Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten zu sorgen. Und ein Ende des Krieges nicht in Sicht.

Darüber hinaus bedarf eine unabsehbar große Menge an Menschen aus anderen Ländern unserer Hilfe. Wir müssen erwarten, dass nicht nur Erdbeben wie kürzlich in Syrien und der Türkei, sondern auch künftige Klima-Katastrophen Menschen aus ihrer Heimat und hin in den vermeintlich sicheren Norden vertrieben werden. Also brauchen wir eine nachhaltig geplante und entsprechend vorbereitete Infrastruktur und für all das eine gesicherte Finanzierung, für die wir einmal mehr die Durchsetzung des Konnexitätsprinzips fordern.

Klima

Und wenn wir nun schon einmal bei der Klima-Katastrophe und deren Bewältigung sind: Zur klimaschonenden Verbesserung der Energieversorgung brauchen wir dringend mehr Geld für neue Speichertechnologien. Das ist aber ganz offenbar nicht vorhanden. In diesem Zusammenhang stellen wir die Frage, was die Machbarkeitsstudie über neue Speichertechnologien gebracht hat. Hat eine Evaluation stattgefunden? Wir zumindest haben hierzu nichts gefunden.

Verbunden mit dem Klimaschutz muss ebenso die Mobilitätswende vorangetrieben werden. Der Kreis ist zwar bereit zu investieren, es gibt in der Tat ja auch Fördermittel dafür, aber wir können nur hoffen, dass die Umsetzung der Maßnahmen durch die dazu gegründete Infrastrukturgesellschaft schnell gelingt. Denn zurzeit wollen natürlich alle ÖPNV-Anbieter möglichst schnell und möglichst umweltfreundlich auf E-Mobilität und Wasserstoff umrüsten.

Da weder die E-Mobilität noch der Wasserstoff oder gar die E-Fuels geeignet sind, dauerhaft die heutige Masse an motorisiertem Individualverkehr klimafreundlich mit Treibstoff zu versorgen, muss die schiere Menge an ÖPNV-Angeboten in sehr hohem Maße ansteigen, damit die Verkehrswende in Lippe spürbar zu Reduzierung der Folgen künftiger Klimaveränderungen beitragen kann.

Klinikum

Für die weitere bauliche Modernisierung der Häuser in Detmold und Lemgo, für mehr Patientenkomfort und den Ausbau von OP-Kapazitäten, eine neue Notaufnahme und ein neues Diagnostik-Zentrum sieht der Haushalt 20 Mio. Euro vor.

Das Land stellt gleichzeitig Geld für die Stilllegung von Klinikstandorten in Aussicht, was die Fortführung von Doppelstandorten wie in Lippe erschwert.

An eine auskömmliche und wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung wird dabei, allen Beteuerungen von Lauterbach, Laumann und Landrat zum Trotz, zuallerletzt gedacht.

Hier gilt unsere Forderung auch in Zukunft: Gesundheit ist keine Ware!

Die Arbeitsbedingungen des Personals sind seit Jahren, und zwar auch schon lange vor der Covid-Pandemie, von Verdichtung und Überlastung geprägt. Nicht nur die zusätzliche Belastung durch die Arbeitsbedingungen in Corona-Zeiten, die nach wie vor nicht wirklich angemessene Bezahlung, sondern auch immer mehr auch das schlechte Betriebsklima verleiden den Beschäftigten ihre Arbeit, und halten Bewerber*innen davon ab, das verbliebene Personal zu verstärken. An dieser Stelle unser Dank an alle, die dort jeden Tag für uns arbeiten.

Wie sollen vor diesem Hintergrund mehr und mehr Patient*innen Vertrauen in unser Klinikum setzen, zumal für orthopädische Operationen gute Alternativen in Brakel oder Bielefeld verfügbar sind?

Wie soll ohne eine ärztliche Leitung der Kinderklinik das Leistungslevel dort gehalten werden? Wenn nämlich ein Krankenhaus weder die nötigsten Qualitätsmerkmale in einer medizinischen Abteilung erfüllt, noch überhaupt das Verlangen bekundet, dieses Fachgebiet abzudecken, dann gibt's das dort vor Ort halt einfach nicht mehr im bisherigen Umfang.

Wie soll außerdem die medizinische Versorgung der Bürger*innen in Lippe sichergestellt werden, wenn die wohnortnahe Versorgung mit Hausärzt*innen zunehmend schwieriger wird?

Stattdessen steht im Vordergrund die schlechte Performance des Klinik-Chefs und die regelmäßige Berichterstattung in der örtlichen Presse zu Vorgängen und Handlungsweisen, die das Vertrauen der Lipper*innen in die Klinikleitung nicht gerade fördern.

Wir fragen uns schon, wie lange unser Klinikum unter diesen Bedingungen als Vollversorger bestehen kann. Wenn durch die Geschäftsführung wichtige Entscheidungen, wie die Schließung von Abteilungen nicht mit den betroffenen Beschäftigten kommuniziert, sondern nur noch Beschlüsse verkündet, liegt wohl einiges im Argen. Respekt sieht anders aus. Wir jedenfalls haben das Vertrauen in diese Geschäftsführung verloren.

Kosten

Schlagzeilen wie „Personal für die öffentliche Verwaltung/Rathaus dringend gesucht“ werden wohl noch öfter durch die Medien gehen.

Zumindest dann, wenn den Beschäftigten ihre inflationsbedingten Mehrkosten nicht durch höhere Löhne und Gehälter ausgeglichen werden. Hier sollte auch der Kreis seinen Einfluss geltend machen und sich dafür einsetzen, dass die Tarifauseinandersetzung ein baldiges Ende findet.

Eine mit 3 % eingeplante Erhöhung der Löhne & Gehälter ist nicht hilfreich und bedeutet bei einer Inflationsrate zwischen 6 und 7 % einen Reallohn-Verlust. Die Lebenshaltungskosten sind unverändert hoch. Und davon sind niedrigere Einkommen sehr viel stärker betroffen.

Im Rettungsdienst gibt es beispielsweise derzeit kein Personal auf dem Arbeitsmarkt. Die Finanzierung von nur sieben Ausbildungsplätzen im Kreis Lippe für Notfallsanitäter*innen ist vor diesem Hintergrund völlig unzureichend. Wenn ein hoher Bedarf auf einen Arbeitsmarkt ohne nennenswertes Personalangebot trifft, ist die Folge absehbar. Durch Überlastung nimmt die Fluktuation weiter zu. Eine gefährliche Situation für uns alle!

Gleichzeitig wird im Finanz- und Personalausschuss diskutiert, ob zwei Stellen im Haushalt für Hilfskräfte, die im Rahmen der Digitalisierung alte Dokumente einscannen, notwendig sind. Und ob die jetzt bereits beim Kreis Beschäftigten dies nicht obendrein erledigen können.

Da fragt man sich schon, ob die gestiegene Arbeitsbelastung durch den Personalmangel in allen Fraktionen bekannt ist. Im Kreishaushalt wird in diesem Jahr für die Personalkosten ein Fluktuationsabschlag von knapp 1,6 Millionen Euro eingestellt.  Dringend benötigtes Personal für offene Stellen kann so nicht gefunden werden.

Kredit

Die Ausgleichsrücklage wird im Haushalt eingesetzt, um die Folgen der unzureichenden Finanzierung von Bund und Land abzufedern. Gleichzeitig werden durch Bilanzhilfen die Kosten der Corona- und Ukraine-Krise ausgesondert, wodurch die Haushalte der kommunalen Familie in Zukunft massiv belastet werden. Weder die Ausgleichsrücklage noch die Abgrenzung der Kosten der Krisen sind durch Vermögenswerte gedeckt. Bei den steigenden Zinsen handelt es sich hier um die nächste, tickende Zeitbombe.

Kreisumlage

Die strukturelle Unterfinanzierung besonders von ländlichen Kommunen und Kreisen kann nicht durch Kürzungen im Haushalt des Kreises ausgeglichen oder durch eine höhere Kreisumlage an die Kommunen abgewälzt werden. Wir stehen selbstverständlich für eine sachliche Diskussion gerne zur Verfügung. Pauschale Kürzungen aber, oder die pauschale Forderung an die Verwaltung, Einsparvorschläge zu erarbeiten, sind in unseren Augen nichts Anderes als populistische Schaufensterpolitik, welche die Arbeit der Kreisverwaltung herabwürdigt. Das Schreiben des Personalrats spricht hier Bände.

Wir erwarten konkrete Vorschläge von den Parteien im Kreistag, den Bürgermeistern oder gerne auch durch mehr Bürgerbeteiligung.

Konnexität

2023 kann der Kreis Lippe seine Aufgaben noch vollumfänglich erfüllen und sich den großen Herausforderungen aktiv stellen.

Damit die strukturelle Überforderung in den Folgejahren ab 2024 nicht immer mehr zum Problem wird und Städten, Gemeinden und Kreis nicht die dauerhafte Haushaltssicherung mit immerwährenden Nothaushalten droht, fordern wir die Vertreter*innen der hier im Kreistag vertretenen Parteien auf, das auf Landes- und Bundesebene vehement einzufordern.

Fazit

Die heute eingebrachte Resolution für eine auskömmliche Finanzierung von Kosten der Eingliederung unterstützen wir. Ob eine solche ein ausreichendes Mittel ist, ist allerdings fraglich.

Es ist nicht hinnehmbar, dass Entscheidungen der Landes- und Bundespolitik auf dem Rücken der kommunalen Familie abgeladen werden, ohne dass in den parlamentarischen Gremien eine angemessene Reaktion erfolgt.

Wir halten deshalb eine gemeinschaftliche Klage mit dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindebund für wirkungsvoller. Nur so werden wir ernst genommen. Die Möglichkeit sollte zumindest einmal erwogen und in den zuständigen Gremien beraten werden. Der heute eingebrachte Haushalt enthält so viele Unwägbarkeiten, dass es uns höchst unwahrscheinlich erscheint, ob er in der vorgesehenen Form überhaupt umgesetzt werden kann. Wir werden ihm deshalb nicht zustimmen.