Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Detmold, Haushaltsrede für den Haushalt 2017

Evelin Menne, Fraktion DIE LINKE. Detmold

Es ist nicht das „Nein“ der Pegida, es ist nicht das „Nein“ der AfD, es ist nicht das „Nein“ von Rechts, es ist nicht das „Nein“ derjenigen, die den eigenen Vorteil auf Kosten der Schwachen suchen. Es ist ein solidarisches „Nein“! Es ist ein „Nein“ im Sinne einer Gesellschaft, in der der vorhandene Reichtum gerecht verteilt wird. Wir wollen eine Gesellschaft, die auf die Schwächsten Rücksicht nimmt und bereit ist, dies zu finanzieren. Unser „Nein“ ist solidarisch und kein „Nein“ auf Kosten der Schwächsten, die bei uns Zuflucht suchen, oder die besonderen Unterstützungsbedarf haben.

So gesehen ist unser „Nein“ in Wirklichkeit ein „Ja“, ein „Ja“ zu einer auskömmlichen Finanzierung der Kommunen.

Aber was bedeutet das? Wir wollen einen Nahverkehr, der gut bezahlt und zugleich für alle bezahlbar ist, und der gut genug strukturiert ist, um alle jederzeit und zügig dorthin zu bringen, wo sie hin wollen. Unser „Ja“ fordert eine Teilhabe für alle an allem. Unser „Ja“ bedeutet: Wir wollen auch ökologische Gerechtigkeit. Wir treten ein dafür, dass Detmold in Sachen Klima- und Umweltschutz eine Vorreiterrolle einnimmt. Wir treten ein dafür, dass wir gemeinsam versuchen, unsere Stadt lebenswert zu machen und zu erhalten. Wir anerkennen das, was von Seiten der Stadt unternommen wird, um guten Wohnraum zu schaffen und um die öffentliche Daseinsvorsorge zu erhalten.

Wir wollen unser „Nein“ nicht verstanden wissen als das „Nein“ derjenigen, die immer nur gegen alles sind: Wir sind so sehr für so Vieles.

Die Menschen, die hier leben, sind nicht schuld an strukturellem Defizit, ungerechter Verteilung und Schuldenbremsen, sie sind nicht für die schlechte Haushaltslage verantwortlich. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat der Stadt: Auch wir sind nicht schuld! Die meisten in der Kommunalpolitik Tätigen versuchen jedoch nur noch, das Minus zu verwalten. Eine übergroße Mehrheit der gewählten Ratsleute sieht sich einfach nicht mehr in der Lage, mit dem, was uns von Land und Bund zugestanden wird, die Zukunft unserer Stadt zu gestalten.

Darummuss Schluss sein mit der Verteilung von unten nach oben, die sich an allen Ecken und Enden bemerkbar macht!

Das heißt aber nicht, dass wir der Verwaltung, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Detmold, den Ideengebern für manch spannende und notwendige Projekte, nicht auch Respekt zollen. In Detmold wird viel getan, um trotz alledem für alle eine hohe Lebensqualität sicherzustellen. Dazu gehört eindeutig auch alles, was getan wird, um Geflüchteten einen guten Empfang zu bereiten und angemessene Integrationsmöglichkeiten sicherzustellen.

Aber das ist nicht genug:

Nicht genug, solange angeblich alternativlos die Fahrpreise für den ÖPNV und das Mobiticket erhöht werden; nicht genug, solange die Taktzeiten unserer Buslinien eingeschränkt werden. Es ist nicht genug, solange die Vergabe des Busverkehrs einer ebenfalls angeblich alternativlosen Praxis folgt.

Umso besser die Nachricht, die am Montag in der LZ zu lesen war: „Gleiche Standards für alle“, stand da zu lesen. Die SPD-Landtagsabgeordneten Berghahn und Maelzer fordern dies bei Ausschreibungen und Vergaben des ÖPNV. Allerdings wollen sie diese berechtigte Forderung nur an die privaten Nahverkehrsunternehmen richten. Dies ist inkonsequent und scheinheilig. Wer wirklich faire Löhne für Busfahrerinnen und Busfahrer will, braucht keine Ausschreibungen. Die Kommunen können ohne Ausschreibungen den Busverkehr in die eigene Hand nehmen, und dann gilt ganz von selbst, was Berghahn und Maeltzer fordern: „Wir wollen die soziale und finanzielle Sicherheit der vielen Angestellten im Öffentlichen Nahverkehr sicherstellen. Konkurrenz im ÖPNV soll nicht über Lohndumping stattfinden." Voraussetzung wäre eine kommunale Finanzausstattung, die dies hergibt, und da wären die Landtagsabgeordneten in der Tat selber gefordert, dafür zu sorgen.

Es entspricht nicht unserer Auffassung von sozialer Gerechtigkeit, dass Einrichtungen wie die Flüchtlingshilfe Lippe sich jedes Jahr erneut um ihre Finanzierung sorgen müssen, dass Einrichtungen wie die Alraune personell unterfinanziert sind, und dass in Frauenhäusern zu wenige Plätze zur Verfügung stehen.

Es entspricht nicht unserer Auffassung von ökologischer Gerechtigkeit, dass in Zeiten des Klimawandels die Stelle im Umweltschutz weggestrichen werden soll.

Im letzten Jahr gestellt haben wir Anträge gestellt, die zur Einnahmenverbesserung dienen sollten, und abgelehnt wurden:

- die Anhebung der Gewerbesteuer,

- die Einstellung von kommunalen Wirtschaftsprüfern.

Aber was bringt es denn, Anträge zu stellen, bei denen sowieso schon klar ist, dass sie abgelehnt werden?

Was bringt es gar, diese Anträge zweimal zu stellen, auch das hilft nicht. Wir haben deshalb beschlossen, dass wir uns diesmal auf einen einzelnen Antrag beschränken, auf einen, der ein wenig provoziert und haben darum

- Extra-Parkgebühren für extrabreite und extraschwere Autos beantragt, sozusagen als eine Form ausgleichender Gerechtigkeit.

Diesmal wollen wir unsere möglichen Anträge für ein lebenswertes Detmold nur kurz benennen. Anträge, die wir nicht gestellt haben, würden zum Beispiel dies fordern:

- ein Sozialticket, welches den Namen verdient (Heißt es etwa Mobiticket, weil damit die Preiserhöhungen besser kaschiert werden können?)

- eine auskömmliche dauerhafte Finanzierung sozialer, ökologischer und kultureller Einrichtungen

- flächendeckend gut ausgestattete Schulsozialarbeitsstellen

- keine Beschränkungen in der KiTa-Ausstattung (weder personell noch organisatorisch)

- gute Arbeit nach den Verträgen des TvöD in allen Beteiligungen der Stadt und der DetCon,

um nur mal einige zu nennen. Aber all diese Beschlüsse sind nicht mehrheitsfähig, weil sie voraussetzen, dass wir Geld in die Hand nehmen müssen. Denn die Stadt würde sich langfristig verpflichten, etwas anzufangen oder weiterzuführen oder sicherzustellen, was die Bedingungen der Menschen vor Ort verbessern würde. Doch für solche Anträge gibt es angeblich keinen Spielraum.

So wollte ich anhand unseres eigenen Antragsverzichts deutlich machen, wie sehr die kommunale Selbstverwaltung eingeschränkt ist. Denn die meisten Fraktionen haben solche Anträge von vornherein vermieden. Das belegt, wie sehr sich der Rat der Stadt Detmold schon im Vorfeld einer Haushaltsdebatte in Selbstbeschneidung übt. Dabei bin ich sicher, dass es in allen Fraktionen Wünsche gäbe, die mit mehr Geld in den Kassen zu erfüllen wären.

Das Selbstverwaltungsprinzip der Kommunen wird stattdessen den diversen Schuldenbremsen untergeordnet.

Das ist etwas, was dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung extrem widerspricht. Gleichzeitig wird die Konnexität von Landesseite nicht eingehalten und die Bundesregierung besteht auf einer schwarzen Null im eigenen Haushalt, die in vielen Belangen, nicht nur in den Kommunen, zu Lasten der Menschen geht.

Und dann sind da noch die Pflichtaufgaben und Umlagen, meist Gelder für soziale Belange: Die Klagen über die LWL-Umlage können wir nicht teilen. Der LWL ist dafür da, seine sozialen und kulturellen Aufgaben zu erfüllen, und das kann er nur bei auskömmlicher Finanzierung. Wer dort die Schuld für die Finanzmisere sucht, irrt. Denn nachweislich fließt vom LWL mehr Geld nach Lippe als umgekehrt. Diese Streiterei unter lauter Benachteiligten ist ebenso kontraproduktiv wie die Neiddebatten über den Soli oder über die überproportionale Finanzierung der großen Kommunen durch das Land.

Ein bisschen mehr Spielraum, um wirklich vor Ort im Alltag Politik gestalten zu können, um eine Stadt gestalten zu können, wie wir sie wollen: Ist das zu viel verlangt? In einem der reichsten Länder dieser Welt? In einem Land, in welchem sich der Finanzminister rühmt, einmal mehr einen ausgeglichenen Haushalt zu haben? Und auf wessen Kosten?

Die schwarze Null entsteht auf Kosten derjenigen, die sowieso nichts haben.

Betroffen sind vor allem die kleinen Leute. Viele Menschen arbeiten dauerhaft in prekärer Beschäftigung. Geringverdienende haben kaum eine Chance, ihre Einkommenssituation zu verbessern. Menschen im Hartz-IV-Bezug bleiben allzu oft dauerhaft erwerbslos. Das wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung stellt in seinem Verteilungsbericht 2016 fest:

Die Einkommensverteilung in Deutschland wird undurchlässiger: Arme Menschen bleiben häufiger dauerhaft arm, während sehr reiche sich zunehmend sicher sein können, ihre Einkommensvorteile auf Dauer zu behalten. Parallel dazu hat die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht.

Die Kommunen als kleinste politische Einheiten müssen ausbaden, was in Bund und Ländern an Kürzungen beschlossen wird. Konnexitätsprinzipien werden nicht eingehalten vom Land. Zwischen dem Bund und den Kommunen gibt es solch eine Ausgleichsverpflichtung erst gar nicht. Was die da oben bestellen, können die kommunalen Haushalte nicht stemmen. Ausgleichszahlungen sind unzureichend oder lassen ewig auf sich warten, und eben daher kommt das strukturelle Defizit. Dieses Ungleichgewicht mit seiner Kürzungslogik wollen wir nicht mittragen.

Überall da, wo sich eine Kürzungspolitik durchsetzt, die dann noch als Sparpolitik beschönigt wird, wird Lebensqualität vernichtet.

Denn die Kosten für städtische Leistungen steigen kontinuierlich und nachhaltig und dies tut vor allem den kleinen Leuten weh. Wenn die Stadtbibliothek teurere Gebühren nimmt, trifft das nicht die Reichen in dieser Stadt. Wir sehen daran: Der Begriff der Nachhaltigkeit ist erstmal rein objektiv und besagt nur, dass etwas lange wirkt.

Wir als Fraktion DIE LINKE stehen nachhaltig für Gerechtigkeit.

Darum müssen wir „Nein“ zu diesem Haushalt sagen, damit nachhaltig eine Stimme in diesem Rat vertreten ist, die sich einsetzt gegen eine falsche Umverteilung und für soziale und ökologische Gerechtigkeit.

Ein Entscheidung sei hier noch genannt, weil wir hierzu Unverständnis und Kritik geerntet haben: Wir stehen dazu, dass wir seinerzeit dem Parkhaus am Finanzamt zugestimmt haben. Wir stehen dazu, weil wir der Meinung sind, dass die Angestellten des Krankenhauses ebenso wie die Menschen, die aufgrund von körperlichen Gebrechen nicht weit laufen können, ganz nah am Krankenhaus Parkraum brauchen.

In einer anderen, gerechteren und schöneren Welt wären wir auch der Meinung, dass Parkplätze für das Krankenhaus vom Krankenhaus finanziert werden müssten. Aber das Krankenhaus ist ebenso wie der Detmolder Haushalt strukturell unterfinanziert, das wissen wir.

In einer anderen Welt würden wir uns einen preiswerten, umweltfreundlichen und lippeweiten Nahverkehr wünschen, der flächendeckend und optimal organisiert ist. Wir wollen, dass die Krankenschwester, die morgens um Vier aus dem Extertal kommt, nach Detmold ganz problemlos mit ´nem Nahverkehrsbus anreisen kann, ohne dass sie ´nen PKW braucht.

Wäre schön, ist aber ein Traum, kann unter diesen Bedingungen nicht durchgesetzt werden. Aus Pragmatismus und im Sinne einer sozial gerechten Nachhaltigkeit ist es daher geboten, dieses Parkhaus an dieser Stelle zu befürworten. Darum stehen wir auch dazu.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.