Landtagskandidatin Dorothea Senz-Ndiaye antwortet auf Fragen in einem Online-Meeting

Dorothea Senz-Ndiaye

Fragenkatalog des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands e. V. Kreisverbände Herford-Bielefeld und Lippe


1. Wie ist Ihre Einschätzung zur Landwirtschaft in Sachen Ernährung, Umwelt- und Klimaschutz?


DIE LINKE:
Es kommen weitreichende Umdenkprozesse auf uns zu. Lange verzögerter Handlungsbedarf muss zeitnah umgesetzt werden. Die drei genannten Komponenten hängen stark miteinander zusammen. Korona und jetzt die Ukrainekrise zeigen, dass wir in Sachen Importe nicht mehr so global denken können/sollten wie vorher. Eine differenzierte landwirtschaftliche Produktion in der eigenen Region ist unerlässlich, um Abhängigkeiten von langen Transportwegen aus anderen Ländern zu vermeiden. Ärmere Länder z.B. in Afrika, mit schwach ausgeprägter Landwirtschaft, sollten weiter unterstützt werden mit dem Schwerpunkt Hilfe zur Selbsthilfe.


2. Die Ausweisung roter Gebiete bzgl. Grundwasser ist ein strittiges Thema.
Nachdem die jetzige Landesregierung den fachlich nachvollziehbaren Weg gewählt hatte, erfolgt jetzt durch die EU wahrscheinlich die Forderung einer im Ergebnis sehr pauschalierten Ausweisung. Wie sind Ihre Gedanken dazu.


DIE LINKE:
Der Ärger der Landwirte ist verständlich. Aber, einerseits wird eine politische Richtlinie gewünscht, um die Umsetzung von Vorgaben endlich zu realisieren. Andererseits wird sie wieder kritisiert, wenn sie nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Leider wird die nicht pauschalisierte Variante mit mehr Bürokratie einhergehen.
Kleinere Betriebe sind flexibler als große. Höchstwahrscheinlich werden einige von ihnen nicht in den Besitz von entsprechenden Spezialmaschinen für die passgenaue Einbringung von Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel kommen. Genau das wäre aber für den Grundwasserschutz nötig. Denn wozu entwickelt man Maschinen, die helfen könnten, wenn man sie nur punktuell einsetzen kann.
Grundsätzlich ist DIE LINKE nicht für konzerngeführte Großbetriebe, sondern unterstützt Kooperationsinitiativen und Zusammenschlüsse von Landwirten. Hier könnten solche Maschinen gemeinsam angeschafft und ausgeliehen werden. Aber flächenübergreifend wird das nicht überall der Fall sein können.
Kleinere Betriebe sollten darüber nachdenken, ein Betreiberkonzept für Ihren Hof zu finden, das ihnen unterschiedliche Nutzungen bietet. Zum Beispiel: Wenn man weniger Vieh im Stall hält, hat man auch mehr Platz für das Tierwohl. Hier muss man, um den geplanten neuen Standards zu folgen nicht mehr so viel investieren. Den Ausfall an Verkaufs-Einnahmen könnte man mit der Gewinnung von Strom durch Solaranlagen auf dem Dach und/oder auf einem Feld kompensieren. Auch könnte solches Umdenken von der EU finanziell mit unterstützt werden. Wenn wir unsere Region OWL betrachten, könnten auch Konzepte für kleinere Höfe entwickelt werden, die sich in die Region als Touristisches Element mit einfügen durch entsprechende Bedarfs- und Potentialanalyse. Ebenso Kooperationen mit Gemeinden, die sozial betreute Projekte für Jung und Alt anbieten möchten und hierzu Räumlichkeiten bräuchten, die oft in den Stadtkernen nicht vorhanden sind. Wie man sieht, könnten Landwirtschaft, Kommunen, Landschaftsverband und Touristikverband hier fachübergreifend Lösungsansätze schaffen.


3. Würden Sie im Bundesrat für eine Nutzung der künftigen Stilllegungsflächen stimmen?


DIE LINKE: Hier sind EU-weit die 4 % der landwirtschaftlichen Flächen gemeint, die man aus Umweltgründen stilllegen möchte. Da dieser Beschluss-Vorschlag vor dem Ukraine-Krieg gefasst worden ist, wäre es in der jetzigen Situation besser, genügend Anbauflächen zu haben, um Versorgungsengpässe auf dem Getreidesektor zu vermeiden. Insofern würden wir für eine Nutzung der künftigen Stilllegungsflächen stimmen.


4. An den Faktor Boden gibt es viele Wünsche: Bebauung, Agrarproduktion, Umweltschutz, Klimaschutz, Erholung, Puffer für Klimaauswirkungen wie Starkregen und Temperatursenkungen etc.
Wo würden Sie ansetzen? Wie stark würden Sie in das Eigentum eingreifen? Wann ist für Sie die entschädigungslose Grenze zugunsten des Allgemeinwohls überschritten?


DIE LINKE:
Allen Ansprüchen sollte in angemessener Weise Raum gegeben werden. Bebauung nicht mehr so viel in die Fläche, sondern in die Höhe für bezahlbaren Wohnraum vornehmen. Es sollte Raum für Erholung und Freizeitaktivitäten vorbehalten werden. Auch die Versiegelung der Böden durch Asphalt und Steinbelag sollte kontrolliert vorgenommen werden. Das Bewusstsein der Bevölkerung für Umweltschutz stärkt man durch wiederkehrende gemeinsame und publik gemachte Aktion wie z.B. das Clean Up in den Kommunen, das sich schon gut etabliert hat. Umwelterziehung bei Kindern in der Schule und in der Freizeit wird sich zukünftig auszahlen.
Für Starkregen die Ufer der Flussläufe ausweiten und entsprechende Vorsorge treffen, was in unserem Wahlkreis schon teilweise umgesetzt wurde, ebenso die Information der Bevölkerung über eventuelle Gefahren.
Grundsätzlich sollte der Katastrophenschutz mehr Gewicht bekommen und Warnvorkehrungen geprüft und weiterentwickelt werden.
Ein Eingriff ist das Eigentum ist immer eine schwierige Sache. Vor allem, wenn es sich um Privatbesitz in überschaubarem Umfang handelt und Menschen dadurch ihre gewohnte Umgebung verlassen müssten. Vor allem bei älteren Menschen. In diesen Fällen wäre hier die entschädigungslose Grenze zugunsten des Allgemeinwohls überschritten. Es sollte,
wenn jemand wirklich umsiedeln müsste, immer eine finanzielle Entschädigung angeboten werden. Natürlich auch bei existenzgefährdeten Firmen und Gewerbetreibenden.


5. Wir kommen zu immer neuen Definitionen des Tierschutzes. Wie flexibel ist das Bau- und Immissionsschutzrecht zu gestalten, um hier zu folgen?


DIE LINKE:
Wir sind grundsätzlich gegen Massentierhaltung. Hier muss in der Bevölkerung ein Umdenken stattfinden. Denn geringerer Tierbestand bedeutet die Verteuerung von Fleischprodukten. Es muss nicht jeder, der im Büro arbeitet jeden Tag Fleisch essen.
Das sollte in Maßen Kindern im Wachstum und hart arbeitenden Menschen vorbehalten bleiben. Hier müsste von der Politik finanzielle Unterstützung angeboten werden, wenn Familien mit Kindern und geringer Verdienende sich Fleisch nicht mehr leisten könnten.
Durch Aufklärung und das Anbieten von alternativen Produkten, die ebenfalls viele
Proteine erhalten, wird sich zukünftig das Verhalten der Verbraucher hoffentlich ändern können. Denn ohne Solidarität und Bewusstsein für die Zusammenhänge von Tierhaltung und Umweltbelastung wird sich leider nichts ändern können.
Insofern sollte sich das Bau- und Immissionsschutzrecht tatsächlich nach dem Tierwohl ausrichten. Übermäßige bauliche Erweiterungen zur Tierzucht wären aber zu vermeiden, da dieses die Umwelt belastet und dem Anspruch auf frei zu haltende Flächen widerspricht.